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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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untere Teil des
Metallrahmens mit deutlich zu viel Schwung den Gummianschlag im Boden traf. Noch
während die Polizisten der Tür hinterhersahen, nahmen beide im Augenwinkel wahr,
dass im vorderen Teil des von Neonlampen erleuchteten Flurs etwas nicht stimmte.
Lenz hatte zuerst den Kopf gedreht, riss die Augen auf und starrte auf eine Szene,
die ihm für einen Sekundenbruchteil den Atem raubte.
    Am anderen Ende des Flures, etwa 12 Meter entfernt, stand eine weiß
gekleidete Frau mit der rechten Hand an der Klinke der Tür hinter sich und stierte
auf den Schalldämpfer einer Waffe, die aus dem Zimmer auf der gegenüberliegenden
Flurseite ragte. Der Polizist konnte lediglich den Schalldämpfer sehen, die Hand
und der Rest der Person blieben hinter der Ecke verborgen. Nun hatte auch Hain die
Situation erkannt, riss seine Dienstwaffe aus dem Holster und presste sich hinter
einen Wäscheschrank, der etwa einen Meter vor ihm auf der rechten Seite stand. Lenz
blieb wie angewurzelt stehen und konnte sehen, dass die Frau langsam den Kopf in
seine Richtung drehte, was wiederum eine leichte Bewegung des Schalldämpfers nach
sich zog. Nun begann ihr gesamter Körper zu zittern, und aus ihren Augen traten
Tränen, was Lenz jedoch an ihrem Gesichtsausdruck mehr erahnen als wirklich sehen
konnte. Der Brustkorb der Frau hob sich ein kleines Stück und senkte sich ebenso
rasch wieder.
    Vermutlich hat die Person mit der Waffe in der Hand noch nicht realisiert,
dass wir hier sind, dachte Lenz, doch dieser Gedanke löste sich innerhalb von Sekundenbruchteilen
in Wohlgefallen auf, weil nun der Rest der Pistole, und eine in weißen Handschuhen
steckende Faust sichtbar wurde, danach ein in ebensolches Weiß gekleideter Körper.
Der Größe nach zu urteilen ein Mann. Die Waffe drehte sich blitzartig, bis das unförmige
Ende in Lenz’ Richtung wies, der sich mit einem beherzten Sprung in die Nische einer
Tür katapultierte.
    Plopp, machte es, gefolgt von einem hässlichen Klatschen hinter den
Polizisten und dem Singen eines Querschlägers, dessen heiße Flugbahn ein paar Zentimeter
hinter Hains Schlupfwinkel in der Wand ein Ende fand.
    Wieder das unheilvolle Plopp, und nun hatte der Schütze Hain ins Visier
genommen. Ein großes Stück Vorderkante des Schranks, hinter dem er kauerte, platzte
weg und verteilte großflächig Pressspanbrocken über den Flur. Lenz, der mittlerweile
ebenfalls seine Dienstwaffe in der Hand hielt, warf seinem Kollegen einen besorgten
Blick zu, doch der Oberkommissar schien unversehrt zu sein.
    Plopp, plopp, plopp.
    Drei Schüsse in schneller Reihenfolge, alle auf die Kante des Schranks
gerichtet. Nach dem zweiten hatte sich ein großer Teil der Ecke in Luft aufgelöst,
der dritte traf Hain in den linken Arm und warf ihn nach hinten, wo sein Oberkörper
für einen Augenblick ohne Deckung blieb. Lenz konnte sehen, wie sich die Waffe mit
dem Schalldämpfer senkte und der Zeigefinger des Schützen sich krümmte. Instinktiv
sprang er aus seinem Versteck und zog den Abzug mehrmals durch. Während der kurzen
Pausen zwischen seinen Schüssen glaubte er einen hysterischen Schrei zu hören.
    Der Putz an der Ecke, von wo der Mann auf Hain geschossen hatte, spritzte
davon und hinterließ dabei dunkelbraune Streifen in der Wand. Nachdem er den letzten
Schuss abgefeuert hatte, senkte Lenz die Waffe und zog sich wieder in seine Deckung
zurück. Unterdessen hatte auch Hain sich in die Nische vor einer Tür gerobbt. Das
Schreien der Frau hatte sich in ein noch schrilleres, stakkatoartiges Ein- und Ausatmen
gewandelt.
    »Alles klar, Thilo?«, zischte der Hauptkommissar durch den Lärm in
Richtung seines Partners.
    »Geht so«, kam es leise zurück. »Er hat mich am Arm erwischt, ist aber
nichts Dramatisches.«
    Lenz spähte für einen kurzen Moment auf den Flur und zog den Kopf ebenso
ruckartig wieder zurück, doch weder vom Schützen, noch von der Waffe oder dem Schalldämpfer
war etwas zu sehen gewesen. Er schob den Kopf erneut nach vorne, diesmal etwas länger,
und dann wurde ihm klar, warum es plötzlich so ruhig geworden war. Die Frau, die
eben noch wild plärrend dagestanden hatte, lag mit weit gepreizten Beinen, merkwürdig
verdrehtem Körper und einer stark blutenden Wunde am Kopf auf dem Flur. Keine Spur
von dem Mann, der auf die Polizisten geschossen hatte.
    »Scheiße«, murmelte Lenz mit Blick auf den leblosen Körper, stand auf,
und ging mit der Waffe im Anschlag, immer in den Nischen der Eingänge zu den

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