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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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in das kleine
Mikrofon. »Ja, natürlich, komm einfach vorbei. Darauf sollten wir wirklich ein Glas
trinken.«
     
    *
     
    Juliane Spengler, die Anruferin, und Justus Gebauer kannten sich, seit
die junge dunkelhaarige Frau mit der strengen, schmalen Brille vor einigen Jahren
als Wahlkreishelferin und Bürokraft bei ihm angefangen hatte zu arbeiten. Schon
kurze Zeit später hatte sie ihn zum ersten Mal verführt und ihm dabei Dinge gezeigt,
die er bis dahin höchstens aus schmuddeligen Pornofilmen gekannt hatte, und über
die er mit Erika, seiner Frau, niemals auch nur hätte sprechen können. Umso mehr
hatte er großen Gefallen daran gefunden, diese hemmungslosen Sauereien, wie er den
Sex mit ihr insgeheim nannte, regelmäßig zu praktizieren. Nun war sie unterwegs
zu ihm und würde sich vermutlich nicht zweimal bitten lassen, wenn der Held des
Tages über sie herfallen und es ihr richtig besorgen würde.
    Der Held des Tages.
    Frank Weiler hatte ihm etwa zwei Stunden zuvor die ersten Wasserstandsmeldungen
der Medien nach seinen Auftritten durchgegeben. Es war, selbstverständlich, nicht
bei der Pressekonferenz geblieben, denn er hatte noch mehr als 30 weitere Interviews
geben müssen. Und es waren nicht nur deutsche Medien, die sich für ihn interessiert
hatten, nein, die Schar seiner Interviewpartner war durchaus als international zu
bezeichnen.
    Natürlich hatte es Anfeindungen gegeben. Der Reporter einer türkischen
Zeitung etwa wollte von ihm wissen, wie man sich als Nazi fühlen würde, und ein
israelischer Journalist hatte nach dem Interview angewidert vor ihm ausgespuckt,
aber wer die Hitze nicht vertragen konnte, sollte sich eben nicht in der Küche blicken
lassen. Justus Gebauer dagegen war davon überzeugt, gegen jede Form von Feuer resistent
zu sein.
    Jahrelang hatte er auf den heutigen Tag hingearbeitet, ohne sich selbst
im Klaren darüber zu sein. Was er von Anfang an jedoch wusste, war, dass er zu Höherem
berufen war. Aus dem kleinen Bankert, dem Sohn einer nichtsnutzigen Verkäuferin
und eines dahergelaufenen Halunken, war der Mann geworden, der in Zukunft von sich
reden machen würde, noch mehr, als er es in besseren Zeiten schon getan hatte.
    Ach was, bessere Zeiten, dachte Gebauer, und erinnerte sich mit Ekel
und Abscheu an seine ersten Jahre als Landtagsabgeordneter in Wiesbaden. Immer hinter
den großen Namen herrennen, vor jeder Rede um Erlaubnis fragen, ob nicht ein Wort
oder ein Satz mit der Parteiräson kollidieren könnte, und bei allem den wichtigsten
Grundsatz befolgen: nur nicht auffallen; und wenn, dann den richtigen Leuten. Wie
er es gehasst hatte, sich mit Parteikollegen im Rentenalter herumplagen zu müssen,
die viel dümmer und einfältiger waren als er, die jedoch über Kontakte verfügten,
die sie unantastbar machten.
    Elende Dummköpfe.
    Ab jetzt würde er im Rampenlicht stehen, oder nein, er stand schon
mittendrin. Die Zeitungen des nächsten Tages feilten vermutlich schon an ihren Schlagzeilen
über den Aufsteiger auf der rechten Seite aus Kassel, der es noch weit bringen würde
in der Politik. In der Stadt, im Land und in der Republik. Viele Prominente hatten
sich hinter seine Ideen und Ankündigungen gestellt, Prominente aus der Wirtschaft
speziell, mit Geld. In den einschlägigen Blogs zitierte man seine Sätze mit Hochachtung
und Respekt.
    Hochachtung und Respekt!
    Noch war er ein Einzelkämpfer, ein Mahner im Meer der Gutmenschen,
die mit geschlossenen Augen durch die Stadt und die Welt gingen. Aber schon bald,
da war er sich hundertprozentig sicher, würden Millionen hinter ihm stehen, denen
er eine Stimme und ein Gesicht geben würde.
    Sein Körper erschauerte bei dem Gedanken, etwas Großes, ja etwas Großartiges,
geleistet zu haben. Und die Bonzen in seiner alten Partei würden sich vermutlich
jetzt schon die Haare darüber raufen, dass sie es versäumt hatten, speziell natürlich
in den letzten Monaten, ihn an sich zu binden. Dass sie ihn fallengelassen hatten,
ohne zu erkennen, welches enorme Potenzial in ihm steckte.
    Der dezente Ton der Türklingel ließ ihn zusammenzucken. Er sprang auf,
ordnete kurz den Bademantel, und ging mit schnellen Schritten zur Sprechanlage.
    »Hallo?«
    Ein Klopfen ließ ihn den Kopf drehen.
    »Ich bin schon oben«, hörte er dumpf die Stimme seiner Besucherin aus
dem Hausflur. Erstaunt drückte der Jurist die Klinke herunter und blickte in das
grell geschminkte Gesicht von Juliane Spengler.
    »Unten ist gerade jemand aus dem Haus gegangen

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