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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Krankenzimmern
Deckung nehmend, auf die offenstehende Tür ihr gegenüber zu. Dabei zielte er ständig
auf genau den Punkt, von dem er glaubte, dass der Schütze dort am ehesten auftauchen
würde, sofern er erneut auf die Polizisten zu schießen versuchte. Hinter seinem
Rücken hörte der Hauptkommissar, dass Hain nach Verstärkung telefonierte. Dann hatte
er fast die letzte Ecke vor dem Eingang zu dem Zimmer erreicht, aus dem heraus der
Schütze ihn und seinen Kollegen unter Feuer genommen hatte, presste sich mit dem
Rücken an die Wand, lauschte, nahm die Waffe in die linke Hand und zog mit der freien
Rechten den Stuhl, der ihm im Weg stand, um seinen Körper herum. Während er das
tat, warf er einen kurzen Blick auf die Frau am Boden, aus deren Wunde am Kopf noch
immer Blut sickerte. Und genau in diesem Augenblick begann sein Mobiltelefon jene
Melodie zu spielen, die immer erklang, wenn Maria ihn anrief.
    »Scheiße«, fluchte er laut, kümmerte sich dabei jedoch weder um den
Anruf noch um die blutende Frau auf dem Boden, sondern wandte seinen Kopf für einen
Sekundenbruchteil nach links, um ihn in der gleichen Geschwindigkeit wieder zurückzuziehen.
    Ein Mann im Krankenbett auf der rechten Seite, ein offen stehendes
Fenster mit einem wehenden Vorhang davor, eine leblose Person auf dem Boden in der
linken hinteren Ecke. Ein Bereich neben dem Bett, der nicht einsehbar war.
    Wieder zuckte sein Kopf nach vorne, diesmal etwas länger.
    Keine Veränderung, alles wie gehabt.
    Hinter seinem Rücken hörte er ein unterdrücktes Keuchen. Thilo Hain
hatte sich bis auf einen Meter an ihn herangeschlichen. Er gab dem Kollegen mit
der Hand ein Zeichen, ihm Deckung zu geben, spannte dann seinen Körper, und katapultierte
sich mit einer schnellen Bewegung um die Ecke, die Waffe immer mit beiden Händen
umfasst. Sein erster Blick, nachdem er durch die Tür in den Raum eingedrungen war,
galt dem Bereich, den er vorher nicht überblicken konnte, doch dort lauerte für
den Augenblick keine Gefahr. Hain kam, die Pistole ebenfalls im Anschlag, um ihn
herum, bewegte sich nach rechts, sah sich kurz um, und deutete auf eine kleine,
geschlossene Tür neben dem Waschbecken. Dort verbarg sich vermutlich die Toilette
des Krankenzimmers. Der Oberkommissar, dessen Daunenjacke am linken Oberarm blutdurchtränkt
und aufgerissen war, sprang mit ein paar hastigen Schritten zum Fenster, sah vorsichtig
hinaus in die Dunkelheit, kam genauso schnell wieder zurück, und wies mit seiner
Pistole auf die Tür. Dann stellten sich die Polizisten mit nach vorn gerichteten
Waffen nebeneinander auf und tauschten einen kurzen Blick. Beide nickten, woraufhin
Hain nach vorne trat und die Tür mit einer ruckartigen Bewegung aufriss und zur
Seite sprang. Lenz spähte in die Dunkelheit, doch auch hier drohte offensichtlich
keine Gefahr. Außer einem Toilettenbecken und einem Toilettenpapierhalter an der
Wand gab es in dem winzigen Raum nichts zu sehen. Lenz ließ seine Waffe sinken und
holte tief Luft.
    »Ich bin zu alt für diese Scheiße«, murmelte er.
    Hain, der sich nun ebenfalls ein wenig entspannte, drehte sich um und
lief auf den Mann in der blauen Uniform zu, der noch immer leblos in der Ecke lag.
    »Kümmere du dich um die Frau auf dem Flur«, rief er Lenz zu.

32
     
    Bernd Zwingenberg stand im Bad seiner kleinen Wohnung im Stadtteil
Wehlheiden, strich sich über seinen glattrasierten Hals, und trug ein dezentes Eau
de Toilette auf, das keinesfalls aufdringlich wirken sollte. Der Referent des Kasseler
Oberbürgermeisters Erich Zeislinger verspürte ein gewisses Kribbeln im Bauch, wenn
er an seine Verabredung dachte. Er hätte sich gerne mit Ewald Limbourg in einer
der angesagten schwul-lesbischen Bars der Stadt getroffen, doch diesen Vorschlag
hatte der junge Staatsanwalt rundweg abgelehnt und stattdessen ein kleines, gemütliches
Café im vorderen Westen vorgeschlagen, das der Referent eine halbe Stunde später
betrat. Limbourg saß schon auf einer Bank am Fenster und las in einem Stadtmagazin.
    »Hallo, Ewald«, begrüßte Zwingenberg den Juristen, den er seit der
gemeinsamen Zeit auf dem Gymnasium kannte.
    »Guten Abend, Bernd«, erwiderte Limbourg vorsichtig.
    »Schön, dass du dir die Zeit für mich nehmen kannst«, eröffnete Zwingenberg
das Gespräch, während er seinen Mantel ablegte und sich setzte.
    »Wobei ich mich schon frage, was mir die Ehre verschafft?«, erwiderte
sein Gegenüber eine Spur zu scharf.
    Der Referent bestellte einen grünen

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