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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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war Fuchs bei ihm, und selbst die Angst vor dem Tod war nichts gegen die Angst, die er im Labyrinth des Blaubarts um sie gehabt hatte.
    Die Ruinen um sie herum wuchsen immer höher in den Nachthimmel. Einige hatten Mauern, die wie Gitter aus Stein gebaut waren. Drachenzwinger. Sie hatten gleich unterhalb des Schlosses gestanden. Die Straße stieg immer steiler bergan, und Jacob spürte, wie sehr ihn selbst die kurzen Kämpfe mit den Predigern erschöpft hatten. Du stirbst, Jacob. Aber die Worte schienen nichts mehr zu bedeuten. Als hätte er sie zu oft gedacht.
    Ein weiterer Drachenzwinger. In den Mauern zeichneten sich statt Gesichtern riesige Mäuler ab, gezackte Nacken, Flügel und stachlige Schwänze. Es hieß, dass Guismund Hunderte von Drachen gefangen gehalten hatte, um sie in seinen Kriegen einzusetzen. Er hatte ihnen statt des Gesteins, von dem sie sich ernährten, Bauern und feindliche Soldaten zum Fraß vorgeworfen, Hexen, Trolle, Zwerge. Es hatte sie rasend gemacht, wie Kühe, die man mit Fleisch fütterte.
    Ein letzter Zwinger. Die Straße davor war zernarbt von riesigen Klauen. Die Treppe, vor der sie endete, war noch breiter als die Treppe, die zu Guismunds Gruft hinabgeführt hatte. Diese stieg bergan und war so hoch, dass eine Armee auf ihren Stufen Aufstellung hatte nehmen können. Hundert Stufen bis zum Eisernen Tor und dahinter hundert Arten, zu sterben . Jacob erinnerte sich nicht mehr, wo er die Worte gelesen hatte. Er war so erschöpft, dass er sich kaum noch daran erinnerte, wie er hergekommen war. Die Brust schmerzte bei jeder Stufe, aber Fuchs ging dicht an seiner Seite.
    Der Platz, auf dem die Treppe endete, war mit Schnee bedeckt, und die Wolken darüber hingen so tief, dass die Türme des Schlosses in ihrem Dunst verschwanden. An den grauen Mauern hingen die goldenen Käfige, hinter deren Stäben man immer noch die Überreste von Guismunds Gefangenen sah. Das ganze Schloss sah aus, als wäre es erst gestern verflucht worden und nicht vor Jahrhunderten.
    Das Eiserne Tor prangte wie ein Siegel auf den Mauern. Das Eisen schimmerte wie der Brustpanzer eines Königs. Jacob konnte weder Schloss noch Riegel entdecken, nur eine Girlande aus Schädeln und das Wappen, das sie in der Gruft gesehen hatten.
    Die zerlumpten Körper, die vor dem Tor lagen, waren neueren Datums als die traurigen Überreste in den Käfigen. Bei einigen waren die Hände verkohlt oder die Arme bis zum Ellbogen verbrannt. Andere hatten furchtbare Bisswunden. Die Prediger hatten geglaubt, dass der Eingang zum Himmel sich ihnen endlich offenbart hatte, aber stattdessen hatten sie an das Tor eines Hexers geklopft.
    Jacob spürte dieselbe Dunkelheit, der sie in der Gruft begegnet waren, wie eine Faust, die sich hinter dem Tor ballte. Und alles, was sie bei sich hatten, war eine Handvoll Prinzenhaar und das, was er als Schatzjäger in zwölf Jahren über diese Welt gelernt hatte. Fuchs zerrte einen der Toten aus dem Weg. Und du hast sie, Jacob.
    Das Tor begann, zu glühen, sobald Fuchs darauf zutrat, wie Metall in der Esse eines Schmieds.
    Jacob zog den Beutel mit Louis’ Haar aus der Tasche. Seine einzige Hoffnung, dass das Tor sie als Freunde passieren ließ. Eine sehr schwache Hoffnung, Jacob. An dem Beutel haftete Earlkings Karte.
    Du brauchst das Prinzenhaar nicht.
    Fuchs blickte Jacob über die Schulter. Die grüne Tinte schrieb weiter.
    Du musst Dich beeilen, mein Freund.
    Du hättest den Goyl erschießen sollen.
    Die Armbrust ist so nah.
    Freund. Das Wort hatte nie falscher geklungen. Jacob blickte an dem Eisernen Tor hinauf. Die Rote Fee war auch sehr hilfsbereit gewesen. Er warf die Karte fort und zog das Prinzenhaar aus dem Beutel.
    Auf der Treppe tauchte ein weiterer Prediger auf. Fuchs richtete die Pistole auf ihn, aber er lief weiter, bis er die Leichen sah. Sein schmutziger Mantel war so dicht mit Metall und Glas bespickt, dass er tatsächlich einer Rüstung glich. Das Tor zum Himmel. Fuchs schlug ihn nieder, während er dastand und ungläubig auf die Toten starrte. Sie waren schon zu lange hier. Ein paar Stunden mehr und sie würden sich auch Glas und Blech an die Kleider stecken.
    Jacob machte einen Schritt auf das Tor zu. Es war so hoch, dass ihn ein Riesling auf den Schultern hätte hindurchtragen können. Die meisten Schlösser aus Guismunds Zeit hatten Tore, die an der Körpergröße von Riesen bemessen waren. Guismund selbst hatten einige gedient.
    Jacob schob die Hand in den Beutel mit dem Prinzenhaar.

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