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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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stiften, hatte sich dieser Wunsch nicht erfüllt. Sie hatten einander ebenso verabscheut wie ihren Vater. Manche Geschichten behaupteten, dass ihre Mutter eine Hexe und der Grund für Guismunds Hass auf alle Hexen gewesen war. Andere erzählten, dass seine zweite Frau eine Hexe gewesen war und sie ihm den Weg verraten hatte, der ihn zum Zauberer gemacht hatte. Was immer die Wahrheit war, Guismunds Kinder hatten sich bekriegt, ohne das Rätsel ihres Vaters je zu lösen, und vermutlich hatten sie die Inschriften in der Gruft nie gelesen. Aber der Bastard hatte sie gesehen, und Jacob machte sich keine Illusionen darüber, dass der Goyl die Inschriften auch entziffert hatte. Es war nur die Frage, wer von ihnen bei der Suche nach den drei Schlüsseln schneller sein würde.
    Kopf, Hand, Herz. Westen, Süden, Osten.
    Fuchs hatte vorgeschlagen, den weitesten Weg zuerst zu machen. Das hieß Albion. Wenn sie Glück hatten, konnten sie in zwei Tagen dort sein – falls die Fähren fuhren. So früh im Jahr kam es noch oft vor, dass Stürme sie im Hafen festhielten. Zwei, drei Monate. Vielleicht weniger . Es würde knapp werden, selbst wenn der Bastard keine von Guismunds grausigen Erbgaben vor ihm fand.
    Fuchs zog das Fellkleid aus der Satteltasche.
    »Was denkst du, für wen der Bastard arbeitet?«
    Sie verwandelte sich immer noch fast jede Nacht, obwohl sie inzwischen selbst begriff, wie schnell das Fell ihr die Jahre stahl, aber sie hatte recht: Er konnte sich nicht anmaßen, dazu etwas zu sagen. Er hatte weder für seine Mutter noch für Will aufgegeben, durch den Spiegel zu gehen, und er hätte es sicher nicht für die Aussicht auf ein weniger gefährliches und vielleicht längeres Leben getan. Es gab Dinge, nach denen das Herz so heftig verlangte, dass der Verstand zum hilflosen Zuschauer wurde. Das Herz, die Seele, was immer es war …
    »Soweit ich weiß, arbeitet er meist für die Onyx«, sagte er, während er den Blechteller aus der Satteltasche zog, der ihn schon an so manchem Ort eine hungrige Nacht erspart hatte. »Sein Vater war einer ihrer höchsten Lords. Falls er die Armbrust findet, haben die Goyl wohl bald einen anderen König.«
    Der Teller füllte sich mit Brot und Käse, sobald Jacob ihn mit dem Ärmel polierte. Er war nicht wirklich hungrig, aber er hatte Angst, wieder einzuschlafen und sich in dem Wald wiederzufinden, in dem er seinem Vater nachstolperte. Sein Verstand ließ den Gedanken nicht wirklich zu, aber er war da, wie ein lästiges Flüstern: Du wirst tatsächlich sterben, ohne ihn je wiedergesehen zu haben, Jacob.
    Fuchs hatte die Menschenkleider gegen das Fellkleid eingetauscht. Es wuchs wie eine zweite Haut mit ihr und schimmerte so seidig wie an dem Tag, an dem Jacob sie zum ersten Mal darin gesehen hatte.
    »Jacob …«
    »Was?« Er konnte kaum die Augen aufhalten.
    »Leg dich schlafen. Wir haben seit Tagen kaum Rast gemacht. Die Fähren fahren ohnehin erst am Morgen.«
    Sie hatte recht. Er griff nach seinem Rucksack. Irgendwo hatte er noch ein paar Schlaftabletten aus der anderen Welt. Wenn er sich richtig erinnerte, stammten sie aus dem Nachttisch seiner Mutter. Sie hatte jahrelang nicht ohne sie einschlafen können. Er hob die Karte auf, die aus dem Rucksack in das frostweiße Gras fiel. Norebo Johann Earlking . Der seltsame Fremde, der auf der Auktion für ihn gebürgt hatte und an den verstaubten Hinterlassenschaften seiner Familie interessiert war.
    Fuchs wechselte die Gestalt und leckte sich das Fell, als müsste sie den Menschengeruch vertreiben. Für einen Moment schmiegte sie sich an ihn wie früher, als sich unter dem Fell noch ein Kind verborgen hatte. Sie waren beide Kinder gewesen, als er sie in der Falle gefunden hatte. Jacob strich ihr über die spitzen Ohren. So schön. In beiden Gestalten.
    »Pass auf. Die Jäger sind schon unterwegs.« Als ob er sie daran erinnern müsste.
    Sie schnappte nach seiner Hand – die Art der Füchsin, ihre Liebe zu zeigen – und verschwand so lautlos unter den Bäumen, als trügen ihre Pfoten kein Gewicht.
    Jacob starrte auf die Karte, die er immer noch in der Hand hielt. Er hatte Will bitten wollen, mehr über seinen seltsamen Wohltäter herauszufinden. Wo hatte er seinen Kopf gehabt? Ja wo, Jacob? Dir sitzt der Tod im Nacken. Norebo Johann Earlking muss warten. Auch wenn dir die Farbe seiner Augen nicht gefällt.
    Er warf die Karte ins Gras. Zwei, drei Monate … Zwei Tage auf der Fähre und wer weiß, wie viel Zeit sie brauchen

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