Reckless - Lebendige Schatten
Gipfeln spiegelten. In einem von ihnen hatte Jacob den Gläsernen Schuh gefunden, der ihm einen Orden der Kaiserin eingebracht hatte, und irgendwann sahen sie in der Ferne den Wald, in dem er einer Bande von Wegelagerern ein Paar Siebenmeilenstiefel für einen der Wolfsfürsten im Osten gestohlen hatte. Es konnte nicht alles vorbei sein, noch nicht. Aber die Kaiserin verbrachte dank ihm ihre Tage in einer unterirdischen Festung, der Wald war nur noch halb so groß, seit in dem Tal dahinter mit seinem Holz Stahl geschmolzen wurde, und in Vena regierten die Goyl. Alles ging vorbei, selbst hinter dem Spiegel.
Die zwei Gouvernanten erröteten über einen Scherz von Troisclerq, und Jacob blickte aus dem Fenster, um sich davon abzulenken, dass auch Fuchs seinen Retter mit wachsendem Wohlgefallen musterte. Zu ihrer Linken floss die Duna träge durch überschwemmte Wiesen und am Horizont tauchten die Türme von Vena auf.
»Jacob?« Troisclerq legte ihm die Hand aufs Knie. »Celeste hat mich gefragt, ob ich weiß, wo Louis von Lothringen gewöhnlich absteigt, wenn er nach Vena kommt.«
Celeste. Es klang seltsam, ihren wirklichen Namen aus dem Mund eines anderen zu hören. Jacob selbst hatte ihn erst vor ein paar Monaten von Fuchs erfahren.
»Ich nehme an, dass Louis bei seinem Vetter wohnen wird«, fuhr Troisclerq fort. »Ich kenne ihn recht gut. Wenn du willst, sorge ich dafür, dass er euch empfängt.«
»Sicher. Danke.«
Celeste …
Der Kutscher zügelte die Pferde. Die Straße war überschwemmt. Das Schmelzwasser aus den Bergen ließ die Flüsse über die Ufer treten. In der Spiegelwelt suchten sie sich noch ihr eigenes Bett. Jedes Jahr versanken ganze Dörfer in den Fluten, aber Jacob liebte den Anblick der schilfgesäumten Ufer, der zahllosen Flussarme und bewaldeten Inseln, die sich im träge dahinfließenden Wasser spiegelten. Die Flüsse hinter dem Spiegel beherbergten nicht nur Nixen und Schlammgnome, sondern auch Schätze, die schon so manchen zerlumpten Fischer reich gemacht hatten.
Celeste …
Der Kutscher nahm dieselbe Brücke über den Fluss, auf der die Goyl die Stadt nach der Blutigen Hochzeit verlassen hatten. Vena hatte sich ihnen fast kampflos ergeben, nachdem die Tochter der Kaiserin öffentlich verkündet hatte, dass ihre Mutter alle Schuld am Blutbad in der Kirche traf. Die Goyl waren nicht grausamer als andere Besatzer, aber für Jacob war es ein alles andere als gutes Gefühl, an Häusern mit zugemauerten Fenstern und grauen Uniformen vorbeizufahren und sich zu fragen, ob es all das ohne ihn je gegeben hätte.
Die Postkutschen hielten immer noch hinter dem Bahnhof, obwohl die Pferde beim Lärm der einfahrenden Züge leicht scheuten. Vielleicht wollten ihre Betreiber die Zukunft nicht kampflos den Eisenkutschen überlassen, aber sie hatten längst verloren. Gleich neben dem Bahnhof hatten die Goyl einen Zugang zu den Katakomben der Stadt gebaut, die sie als Wohnquartiere nutzten. Die anderen Passagiere musterten die Soldaten, die den Einstieg bewachten, mit der kaum verborgenen Abscheu, die die steinernen Gesichter immer noch bei den meisten Menschen auslöste. Kami’ens Ehe hatte daran nichts geändert.
An den Bahnhofsmauern klebten Dutzende von Steckbriefen. Es gab Anarchistengruppen in Vena, die zum Widerstand gegen die neue Kaiserin aufriefen, zu Anschlägen auf ihre Minister, auf Militär- und Polizeistationen und auf Wohnquartiere der Goyl. Fuchs warf einen besorgten Blick auf die Plakate, aber Jacob konnte weder sein eigenes noch Wills Gesicht entdecken. Was immer die Dunkle Fee ihrem Geliebten erzählt hatte, Kami’en ließ nicht nach dem Jadegoyl suchen. Und wenn du erst tot bist, Jacob, wird niemand je erfahren, wohin er verschwunden ist. Vielleicht war das genau das Ende, das die Dunkle Fee sich wünschte …
Unter den Bäumen, die auf der anderen Seite des Bahnhofsplatzes wuchsen, warteten ein paar Droschken.
»Such du das Herz!«, flüsterte Fuchs, als Jacob einem der Kutscher winkte. »Ich lass mir von Troisclerq zeigen, wo Louis’ Vetter wohnt, und finde heraus, ob der Bastard dort ist.«
Der Plan gefiel ihm ganz und gar nicht. Der Goyl war gefährlich. Aber Fuchs legte ihm die Hand auf den Mund, als er protestieren wollte. »Lass uns nicht noch mehr Zeit verlieren«, raunte sie ihm zu. »Bitte. Ich pass auf, dass er mich nicht sieht.«
Hinter ihnen verabschiedete Troisclerq sich von den anderen Passagieren. Fuchs blickte zu ihm hinüber. Jacob versuchte, den Stich,
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