Reckless - Lebendige Schatten
den ihm das gab, zu ignorieren.
»Gut. Nimm du die Droschke. Ich geh zu Fuß«, sagte er. Fünfzehn Tage auf einer Kutschbank waren mehr als genug. »Wir treffen uns im Hotel.«
Es klang kühler als beabsichtigt. Was soll das, Jacob? Fuchs’ Blick fragte dasselbe.
Troisclerq kaufte einer der Blumenverkäuferinnen, die vor dem Bahnhof standen, einen Strauß Narzissen ab. Er brach eine der Blüten ab und steckte sie Fuchs ans Kleid.
»Bist du in Ordnung?« Er legte Jacob den Arm um die Schulter. »Ich kenne einen guten Arzt in Vena. Vielleicht solltest du dich untersuchen lassen?«
»Nein, es geht mir gut.« Jacob winkte den Droschkenkutscher näher.
»Du wirst das Herz finden!«, flüsterte Fuchs ihm zu. »Ich weiß es.«
Troisclerq öffnete ihr die Droschkentür.
Fuchs raffte das Kleid. »Telegrafierst du Chanute wegen des Geldes?«
»Sicher.«
Sie lächelte Jacob noch einmal zu und stieg in die Droschke.
Troisclerq blickte zwei Frauen nach, die vorbeigingen. Sie erwiderten seinen Blick. Die eine errötete.
»Es gibt viele schöne Frauen«, raunte Troisclerq Jacob zu, »aber einige sind mehr als das. So viel mehr.« Er trat zu der Droschke und warf dem Kutscher seine Tasche zu. »Ich reise heute noch weiter«, sagte er zu Jacob, »aber ich bin sicher, wir sehen uns wieder.«
Dann stieg er zu Fuchs in die Droschke.
Celeste … Jacob nannte sie lieber Fuchs.
Er sah der Droschke nach, bis sie hinter einer Straßenbahn verschwunden war. Du wirst das Herz finden . Er blickte sich um. Wohin zuerst, Jacob? In das Staatsarchiv, das ein Verzeichnis aller Schätze Austriens hatte? Zum Mausoleum, in dem Guismunds Tochter zwischen ihren kaiserlichen Nachfahren lag? Er versuchte, sich an die Wut zu erinnern, die er im Wald gehabt hatte, die Lust, es dem Bastard heimzuzahlen … Aber er fühlte nichts. Als fräße die Motte tatsächlich sein Herz.
33
UNTERSCHIEDLICHE METHODEN
E s war zu komisch, dass Menschen Verbotenes so gern in Kellerräumen taten. Als bräuchten sie nur unter die Erde zu kriechen, um unentdeckt zu bleiben. Ein Goyl hätte immer das Tageslicht gewählt.
Der Mann, dessen Namen Nerron von einem Totengräber hatte, betrieb seine verbotenen Geschäfte unter einer angesehenen Metzgerei. Die Gerüche, die aus der Ladentür drangen, waren sicher eine erstklassige Tarnung für die Ware, die er handelte.
Die Kellertreppe, die zu seinen Geschäftsräumen hinabführte, war unbeleuchtet und endete vor einer Tür, an der ein emailliertes Schild Termine nur auf Vereinbarung verkündete. Der Mann, der auf Nerrons Klopfen öffnete, war der Totengräber, der ihm die Adresse verraten hatte. Er war kahlköpfig wie ein Bernsteingnom und verbarg ein Messer unter dem schwarzen Gehrock. Der Raum, in den er Nerron winkte, war so dunkel, dass wohl nur ein Goyl auf den ersten Blick sah, womit darin gehandelt wurde. Gläser mit Augen, Zähnen und Klauen aller Art, Glasvitrinen, gefüllt mit Händen, Pfoten und Hufen, Ohren und Nasen und Schädeln jeder Form und Größe. Wirksame Zutaten, wenn man dem Nachbarn Kopfschmerzen wünschte oder dem untreuen Ehemann die Hufe einer Ziege. Schadensmedizin. So nannte man das verbotene Handwerk, das die Hexen als menschlichen Aberglauben abtaten, aber selbst die Tochter der Kaiserin ließ ihren Feinden gern Augen oder Zähne unter das Bett legen, um ihrer Gesundheit zu schaden. Es entging Nerron nicht, dass diese sehr spezielle Apotheke auch eine beachtliche Anzahl von Goylgliedmaßen im Angebot hatte. Sie wurden zu Pulver zerrieben und verabreicht, um Lähmungen hervorzurufen.
Der Mann, der mit all dem handelte, sah aus, als wäre er selbst Opfer des Handwerks geworden, das er belieferte. Die Haut spannte sich ihm so gelb über die Knochen, als hätte sie vor ihm schon jemand anderes getragen. Er trug einen weißen Kittel, wie alle Apotheker, die von der heilenden zur schadenden Medizin wechselten, weil sie sehr einträglich war und die Kunden sich schlecht beklagen konnten, wenn die finstere Kur nicht wirkte.
»Der Totengräber hat ausgerichtet, wonach ich suche?«
»Allerdings.« Der erstaunlich fleischige Mund verzog sich zu einem zuvorkommenden Lächeln. »Es geht um ein Herz. Ein ganz besonderes Herz. Sehr teure Ware.«
Nerron leerte einen Beutel mit rotem Mondstein auf die makellos saubere Ladentheke. Das Lächeln wurde noch etwas weiter.
»Das könnte reichen. Es war eine Herausforderung, diese Ware zu finden, aber ich habe meine Quellen.«
Der Apotheker wandte
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