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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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Kräuter zu verlassen. Nur wenn ihnen die moderne Medizin nicht helfen konnte, machten sie sich auf den Weg in ein Dorf, das östlich des Schlosshügels lag.
    Das Haus von Alma Spitzweg stand gleich neben dem Friedhof, auch wenn sie ihre Patienten gewöhnlich davor bewahrte, allzu früh dort zu enden. Offiziell betrieb sie eine gewöhnliche Arztpraxis. Alma schiente gebrochene Glieder wie die Mediziner aus der Stadt. Manchmal verschrieb sie sogar die gleichen Pillen, doch Alma verarztete Kühe und Heinzel mit derselben Sorgfalt wie ihre menschlichen Patienten, ihre Kleider wechselten die Farbe mit dem Wetter und ihre Pupillen waren schmal wie die ihrer Katze.
    Almas Praxis war noch geschlossen, als Jacob an die Hintertür klopfte. Es dauerte lange, bis sie öffnete. Man sah ihr an, dass sie eine anstrengende Nacht gehabt hatte, doch bei seinem Anblick hellte ihr Gesicht sich auf. Sie sah an diesem frühen Morgen genauso aus, wie Jacob sich als Kind eine Hexe vorgestellt hatte, aber er hatte Alma schon mit vielen Gesichtern und in vielen Gestalten gesehen.
    »Ich hätte dich heute Nacht brauchen können«, sagte sie, während ihre Katze ihn schnurrend willkommen hieß. »Der Stilz, der oben in der Ruine haust, hat versucht, ein Kind zu stehlen. Kannst du ihn nicht endlich vertreiben?«
    Der Stilz … das erste Wesen, das ihm hinter dem Spiegel begegnet war. Jacob trug die Narben von seinen gelben Zähnen immer noch an der Hand. Er hatte dutzendmal versucht, ihn zu fangen, aber Stilze waren listig und Meister im Versteckenspielen.
    »Ich werde es versuchen. Ich verspreche es.« Jacob nahm die schnurrende Katze auf den Arm und folgte Alma in den schmucklosen Raum, in dem sie die alte und die neue Medizin praktizierte. Sie schüttelte müde den Kopf, als er den Mantel auszog und sie das schwarze Blut auf seinem Hemd sah.
    »Was war das nun wieder?«, fragte sie. »Kannst du nicht ein einziges Mal mit einer Grippe oder einem verdorbenen Magen zu mir kommen? Ich werde mir noch an meinem Todestag vorwerfen, dass ich dich nicht daran gehindert habe, bei Albert Chanute in die Lehre zu gehen.«
    Alma hatte den alten Schatzjäger nie gemocht. Jacob war allzu oft bei ihr untergekrochen, nachdem Chanute ihn verprügelt hatte, und sie hielt wie alle Hexen nichts von der Schatzjagd. Jacob war ihr zum ersten Mal an der Ruine begegnet. Alma schwor auf die Kräuter, die dort wuchsen. ›Verflucht? Die halbe Welt ist verflucht‹, war ihr Kommentar zu den Geschichten, die man sich über die Ruine erzählte. ›Und Flüche verfliegen schneller als schlechte Gerüche. Alles, was es da oben gibt, sind verbrannte Steine.‹
    Sie hatte nicht gefragt, was ein zwölfjähriger Junge mutterseelenallein zwischen den Mauern eines abgebrannten Schlosses tat. Alma stellte solche Fragen nicht, vielleicht, weil sie die Antworten ohnehin wusste. Sie hatte Jacob mit zu sich nach Hause genommen, ihm Kleidung gegeben, die ihm keine befremdeten Blicke eintrug, und ihn vor Däumlingen und Goldraben gewarnt. In seinen ersten Jahren hinter dem Spiegel hatte er bei ihr immer eine warme Mahlzeit oder einen Platz zum Schlafen gefunden. Alma hatte ihn verarztet, nachdem ihn zum ersten Mal ein Wolf gebissen hatte, seinen gebrochenen Arm geschient, als er versucht hatte, ein verhextes Pferd zu reiten, und ihm erklärt, von welchen Bewohnern dieser Welt man sich besser fernhielt.
    Sie wischte etwas von dem schwarzen Blut von seiner Haut und roch daran. »Nordgeist-Blut.« Sie sah ihn beunruhigt an. »Wozu brauchst du das?«
    Sie legte ihm die Hand aufs Herz. Dann öffnete sie sein Hemd und strich über den Abdruck der Motte.
    »Dummkopf!« Sie stieß ihm die knochige Faust vor die Brust. »Du bist zu der Fee zurückgegangen! Hab ich dir nicht gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten?«
    »Ich brauchte ihre Hilfe!«
    »Und? Warum bist du nicht zu mir gekommen?« Sie öffnete den Schrank, in dem sie ihre Instrumente für die weniger moderne Heilkunst aufbewahrte.
    »Es war ein Feenfluch! Du hättest mir nicht helfen können.« Keine Hexe konnte etwas gegen Feenzauber ausrichten. »Es ging um meinen Bruder«, setzte er hinzu.
    »Ist dein Bruder es wert, dass du mit deinem Leben bezahlst?«
    »Ja.« Alma sah ihn einen Moment lang schweigend an. Dann nahm sie ein Messer aus dem Schrank und trennte Jacob eine Haarsträhne ab. Das Haar fing Feuer, sobald sie es zwischen den Fingern rieb. Hexen konnten die meisten Dinge mit bloßen Händen in Brand setzen.
    Alma sah auf

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