Red Rabbit: Roman
schmerzhaften Merthiolate-Geschichte weiß ich sogar, wie man ein Pflaster auf eine Wunde klebt. Aber viel weiter reichen meine medizinischen Kenntnisse nicht – na ja, man hat uns in der Basic School ein bisschen was beigebracht, aber ich rechne an sich nicht damit, in nächster Zeit eine Schusswunde verarzten zu müssen. Das überlasse ich lieber dir. Weißt du übrigens, wie das geht?«
»Ich habe dich letzten Winter zusammengeflickt«, erinnerte sie ihn.
»Habe ich dir eigentlich dafür jemals gedankt?«, fragte er. Dann küsste er sie. »Danke, Schatz.«
»Ich muss mit Professor Byrd über die Sache sprechen.«
»Im Zweifelsfall, Liebling, tu einfach, was du für richtig hältst. Deshalb haben wir schließlich ein Gewissen – damit es uns daran erinnert, was richtig ist.«
»Die beiden werden mich dafür aber nicht unbedingt mögen.«
»Na und? Cathy, du musst dich mögen. Sonst niemand. Das heißt, ich natürlich auch.«
»Tust du das denn?«
Ryan lächelte liebevoll. »Lady Ryan, ich bete Euch an.«
Und endlich fiel die Anspannung von ihr ab. »Oh, mäßigt Euch, Sir John.«
»Dann geh ich mal nach oben, mich umziehen.« In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Soll ich zum Abendessen meinen Prunksäbel tragen?«
»Nein, der normale tut’s auch.« Jetzt konnte auch sie wieder lächeln. »Und, was tut sich bei dir im Büro?«
»Wir erfahren, was wir alles nicht wissen.«
»Ihr lernt also dazu?«
»Nein, damit meine ich, wir merken, dass wir keine Kenntnis von Dingen haben, die wir eigentlich wissen sollten. Es nimmt nie ein Ende.«
»Mach dir nichts draus. In meinem Job ist es das Gleiche.«
Es gab, wie Jack erkannte, eine Ähnlichkeit zwischen ihren Berufen, und die bestand darin, dass Menschen sterben konnten, wenn
man bei der Erfüllung seiner Aufgaben Mist baute. Und das war gar nicht witzig.
Als er wieder in die Küche kam, fütterte Cathy gerade den kleinen Jack. Sally saß vor dem Fernseher, dem großen Kinder-Ruhigsteller. Statt eines Roadrunner -Videos sah sie sich diesmal eine englische Kindersendung an. Das Abendessen stand auf dem Herd. Warum eine Assistenzprofessorin für Ophthalmologie darauf bestand, wie eine normale Hausfrau selbst das Abendessen zu kochen, wollte nicht in den Kopf ihres Mannes, aber er hatte nichts dagegen – sie kochte gut. Hatte es an ihrer Uni womöglich auch Kochunterricht gegeben? Er rückte einen Küchenstuhl zurecht und schenkte sich ein Glas Weißwein ein.
»Ich hoffe, die Frau Professor hat nichts dagegen.«
»Ich operiere morgen nicht, hast du das schon wieder vergessen?«
Der kleine Kerl kam für ein Bäuerchen, das er mit großem Getöse machte, auf ihre Schulter.
»Also wirklich, Kleiner. Dein Vater ist schwer beeindruckt.«
»Allerdings.« Sie griff nach dem Zipfel der Stoffwindel auf ihrer Schulter, um dem Kleinen den Mund abzuwischen. »Und? Wie wär’s mit einer Zugabe, hm?«
John Patrick Ryan jr. kam dem Vorschlag prompt nach.
»Worum geht es denn bei den Informationen, die euch fehlen? Machst du dir immer noch Gedanken wegen des Privatlebens von diesem Kerl?« Cathy hatte sich inzwischen wieder etwas beruhigt.
»Dazu gibt es nichts Neues«, gab Ryan zu. »Aber wir machen uns Sorgen, dass die Russen wegen einer bestimmten Sache etwas unternehmen könnten.«
»Was das ist, darfst du aber nicht sagen?«
»Nein, das darf ich nicht«, bestätigte er. »Die Russen sind, wie mein Freund Simon so schön sagt, ein ganz schön versoffener Haufen.«
»Das sind die Engländer auch«, bemerkte Cathy.
»Du lieber Himmel, bin ich jetzt plötzlich mit einer militanten Abstinenzlerin verheiratet?« Jack nahm einen Schluck von seinem Glas. Es war Pinot Grigio, ein hervorragender italienischer Weißwein, den der Getränkemarkt um die Ecke führte.
»Nur, wenn ich einen Patienten mit dem Skalpell aufschlitze.« Sich so auszudrücken gefiel ihr, weil es ihrem Mann dabei immer eiskalt über den Rücken lief.
Er hob sein Glas. »Willst du auch eins?«
»Wenn ich hier fertig bin, vielleicht.« Sie hielt inne. »Es ist also nichts, worüber du reden darfst?«
»Tut mir Leid, Schatz. Die Vorschriften.«
»Und du verstößt nie dagegen?«
»Das wäre eine schlechte Angewohnheit, mit der man lieber gar nicht erst anfangen sollte.«
»Und was ist, wenn ein Russe beschließt, für uns zu arbeiten?«
»Das ist etwas anderes. Dann arbeitet er für die Kräfte des Wahren und Guten in der Welt. Und wir«, fügte Ryan mit Nachdruck hinzu,
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