Red Rabbit: Roman
»sind die Guten.«
»Und wofür halten sie sich?«
»Auch für die Guten. Aber das hat auch ein gewisser Adolf getan«, rief Ryan seiner Frau in Erinnerung.
»Aber er ist lange tot.«
»Es leben noch genug von dieser Sorte, Schatz, glaub mir.«
»Du machst dir Sorgen, Jack. Das spüre ich genau. Du darfst wirklich nicht darüber reden, hm?«
»Ja, ich mache mir Sorgen. Und nein, ich darf nicht.«
»Na schön.« Sie nickte. Nachrichtendienstliche Informationen interessierten sie nur insofern, als sie grundsätzlich wissen wollte, was auf der Welt vor sich ging. Aber auf ihrem eigenen Fachgebiet gab es viele Dinge, die sie unbedingt herausfinden wollte – zum Beispiel ein Mittel gegen Krebs. Doch mit der Tatsache, dass auch so etwas nicht einfach zu entdecken war, fand sie sich allmählich, wenn auch widerwillig ab. Grundsätzlich war in der Medizin kein Platz für Geheimnisse. Wenn man etwas entdeckte, was den Patienten half, veröffentlichte man seine Entdeckung in einer medizinischen Fachzeitschrift, damit sofort alle Welt davon erfuhr. So etwas machte die CIA dagegen weiß Gott nicht sehr oft, und zum Teil ärgerte Cathy das. Dann würde sie eben auf eine andere Tour versuchen, etwas aus ihrem Mann herauszubekommen. »Also gut, wenn du etwas Wichtiges erfährst, was passiert dann?«
»Dann leiten wir’s weiter, eine Etage höher. Da landet es direkt auf Sir Basils Schreibtisch, und ich informiere Admiral Greer. Normalerweise telefonisch, über eine STU.«
»Wie dieses abhörsichere Telefon oben in deinem Zimmer?«
»Ja. Anschließend schicken wir es als sicheres Fax. Wenn es allerdings etwas wirklich Brisantes ist, das wir dem Verschlüsselungssystem nicht anvertrauen wollen, geht es mit einem diplomatischen Kurier raus.«
»Wie oft kommt das vor?«
»Seit ich hier bin, ist das noch nie nötig gewesen. Aber das sind Entscheidungen, die nicht ich treffe. Außerdem, mit dem Diplomatengepäck dauert es inzwischen nur noch acht oder neun Stunden. Das ist um einiges schneller als früher.«
»Ich dachte, dieses Telefondingsbums da oben ließe sich nicht knacken.«
»Du erledigst doch manche Dinge auch nahezu perfekt, und trotzdem gehst du manchmal zusätzlich auf Nummer sicher. Das ist bei uns genauso.«
»Wobei wäre das zum Beispiel der Fall? Rein theoretisch gesprochen, meine ich.« Sie lächelte über ihr raffiniertes Vorgehen.
»Du bist wirklich gut darin, jemandem etwas aus der Nase zu ziehen, Schatz. Sagen wir einfach, wir wissen etwas, ehm, über ihr Atomwaffenarsenal, etwas, das von einem Informanten stammt, der ziemlich nah an den Schalthebeln der Macht sitzt, und es ist echt gutes Material. Wenn’s uns durch die Lappen ginge, könnte es die Gegenseite auf den Informanten aufmerksam machen. Eine solche Information wäre zum Beispiel etwas, was man per Diplomatengepäck befördert. Der Schutz der Quelle steht an erster Stelle.«
»Weil es dem Kerl, wenn sie ihn enttarnen…«
»… an den Kragen geht, und das auf ziemlich unangenehme Weise. Es heißt, dass sie mal jemanden bei lebendigem Leib in einen Verbrennungsofen gesteckt und dann das Gas aufgedreht haben – und sie haben es gefilmt, pour encourager les autres, wie Voltaire es ausgedrückt hat.«
»Heute tut das aber niemand mehr!«, widersprach Cathy sofort.
»In Langley gibt es einen Kollegen, der behauptet, diesen Film gesehen zu haben. Der arme Teufel hieß Popow, ein GRU-Offizier,
der für uns gearbeitet hat. Seine Vorgesetzten waren äußerst unzufrieden mit ihm.«
»Meinst du das wirklich ernst?«, hakte Cathy nach.
»Allerdings. Angeblich haben sie den Film den Leuten in der GRU-Akademie gezeigt – damit die nicht auf dumme Gedanken kommen. Mir erscheint das psychologisch zwar nicht sehr geschickt, aber wie gesagt, ich kenne jemanden, der behauptet, den Film gesehen zu haben. Jedenfalls ist das einer der Gründe, warum wir unsere Quellen zu schützen versuchen.«
»Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
»Ach, wirklich? Genauso schwer, wie es mir fällt, den Bericht zu glauben, wonach ein Chirurg mitten während einer Operation Pause macht und ein Bier trinken geht?«
»Ähm… ja.«
»Wir leben nun mal in einer unvollkommenen Welt, Schatz.« Ryan wollte nicht weiter darauf herumreiten. Sie hatte das ganze Wochenende Zeit, um darüber nachzudenken, und er würde ein bisschen an seinem Buch über Halsey arbeiten.
In Moskau tanzten währenddessen die Finger. Wie sag(st) du es Lan(gley)? fragte sie.
Weiß
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