Red Rabbit: Roman
Tarnung für einen Spion war es, für dumm gehalten zu werden, und wer wäre besser dazu geeignet gewesen, ein solches Urteil über ihn in die Welt zu setzen, als dieser arrogante Schnösel Anthony – nie schlicht Tony – Prince.
Draußen auf der Straße war die Luft kühl vom nahenden Herbst. Foley fragte sich, ob der russische Winter wirklich so streng war, wie man ständig hörte. Wenn ja, musste man sich eben warm anziehen. Beim Betreten der Metro-Station sah er auf die Uhr. Wie schon die Male zuvor kam ihm die Verlässlichkeit der U-Bahn zugute, und er bestieg den gleichen Wagen wie immer.
Während Zaitzew auf ihn zudrängte, stellte er fest, dass sich sein amerikanischer Freund genauso verhielt wie die anderen Male. Er las Zeitung, hielt sich mit einer Hand an der Griffstange fest, und sein offener Mantel hing lose an ihm herab … Ein, zwei Minuten später stand er neben ihm.
Foley konzentrierte sich wieder auf den Rand seines Blickfeldes. Die Gestalt war da, genauso gekleidet wie die anderen Male. Dann mal los, Iwan, mach die Übergabe… Aber sei vorsichtig, Junge, ganz vorsichtig, dachte er, wohl wissend, dass diese Nummer zu gefährlich war, um sie noch viel länger zu bringen. Nein, sie mussten an einer geeigneten Stelle einen toten Briefkasten einrichten. Doch zuerst war es nötig, ein Treffen zu arrangieren. Das sollte er aber Mary Pat überlassen. Ihre Tarnung war einfach besser…
Zaitzew wartete, bis die Bahn langsamer fuhr. Als sich die ersten Fahrgäste Richtung Ausgang in Bewegung setzten, streckte er die Hand kurz in die hingehaltene Manteltasche. Danach wandte er sich ab, langsam und nicht so weit, dass es auffällig wirkte, eine vollkommen natürliche Bewegung, die sich durch das Ruckeln des Wagens erklären ließ.
Ja! Gut gemacht, Iwan. Jede Faser von Eds Körper verlangte danach, sich umzudrehen und den Kerl anzusehen, aber das durfte er auf keinen Fall tun. Falls ein Schatten mit im Wagen war, würde er womöglich Lunte riechen. Deshalb wartete Ed Foley geduldig ab, bis seine Haltestelle kam, und diesmal wandte er sich nach rechts, fort von dem Iwan, und bahnte sich einen Weg aus dem Wagen, auf den Bahnsteig hinaus und in die kühle Luft an der Oberfläche.
Er fasste nicht in seine Tasche. Stattdessen ging er wie immer nach Hause, betrat den Aufzug und fasste nicht einmal dort in seinen Mantel, weil in der Decke eine Videokamera eingebaut sein konnte.
Erst als er in der Wohnung war, holte Foley den Zettel heraus, der diesmal mit schwarzer Tinte beschrieben war – und wie die Male zuvor auf Englisch. Wer auch immer dieser Iwan war, dachte Foley,
er hatte eine gute Schulbildung genossen. Das fing ja schon mal gut an!
»Hallo, Ed.« Ein Kuss für die Mikrofone. »Irgendwas Interessantes bei der Arbeit passiert?«
»Die üblichen langweiligen Sachen. Was gibt’s zum Essen?«
»Fisch«, antwortete MP mit einem Blick auf den Zettel, den ihr Mann in der Hand hielt. Sie reckte ihm ihren erhobenen Daumen entgegen. Volltreffer! dachten beide. Sie hatten einen Informanten. Einen echten Spion im KGB. Der für sie arbeitete.
16. Kapitel
EINE PELZMÜTZE FÜR DEN WINTER
»Sie haben was getan?«, fragte Jack.
»Die haben mitten während der Operation Mittagspause gemacht und sind in einen Pub gegangen und haben dort jeder ein Bier getrunken!«, wiederholte Cathy.
»Na ja, das habe ich auch.«
»Aber du hast niemanden operiert !«
»Was wäre, wenn du das in den Staaten machen würdest?«
»Na, was wohl?«, sagte Cathy. »Wahrscheinlich würde ich meine Approbation als Ärztin verlieren – aber vorher würde mir Bernie noch mit einer Kettensäge beide Hände amputieren!«
Jack merkte auf. So redete Cathy normalerweise nicht.
»Im Ernst?«
»Ich hab ein Bacon-Sandwich mit Salat und Tomaten gegessen, und dazu Chips – so heißen hier Pommes frites. Getrunken habe ich übrigens ein Coke.«
»Freut mich zu hören, Frau Doktor.« Ryan trat auf seine Frau zu, um ihr einen Kuss zu geben. Sie schien ihn zu brauchen.
»So etwas habe ich noch nie erlebt«, fuhr sie fort. »Na ja, irgendwo am Arsch der Welt in Montana geht es vielleicht auch so zu, aber nicht in einem richtigen Krankenhaus.«
»Jetzt beruhige dich erst mal wieder, Cathy. Du redest ja daher wie ein Bierkutscher.«
»Oder wie ein unflätiger Ex-Marine.« Endlich brachte sie ein Lächeln zustande. »Jack, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Diese zwei Augenschlitzer sind mir technisch überlegen,
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