Red Rabbit: Roman
du eine Erkältung hast?«
»Doch, schon.« Das tat sie wirklich. »Was machen die Kinder?«
»Alles bestens. Sally schaukelt zurzeit mit wahrer Begeisterung, und sie hat einen neuen Freund, Geoffrey Froggatt. Sein Vater ist Anwalt.«
»Klasse. Gibt es hier eigentlich noch was anderes als Juristen?«
»Eine Ärztin und einen Spion zum Beispiel«, erinnerte ihn Cathy. »Das Problem ist nur, ich darf den Leuten nicht sagen, was du machst, oder?«
»Und was erzählst du ihnen dann?«, fragte Ryan.
»Dass du für die Botschaft arbeitest.« Das lag gar nicht so weit daneben.
»Einer von diesen Schreibtischhengsten«, brummte er.
»Willst du vielleicht wieder zu Merrill Lynch zurück?«
»Bloß nicht.«
»Manche Leute finden es toll, Geld zu scheffeln.«
»Nur als Hobby, Liebes.« Sein Schwiegervater würde noch jahrelang triumphieren, wenn er, der Schwiegersohn, wieder ins Big Business zurückkehrte. Aber da konnte der Alte lange warten. Jack hatte seinen Dienst in der Hölle abgeleistet, wie ein guter Marine. »Ich habe Besseres zu tun.«
»Zum Beispiel?«
»Das darf ich dir nicht sagen«, entgegnete er.
»Das weiß ich«, erwiderte seine Frau mit schelmischem Grinsen. »Na, wenigstens sind es keine Insider-Geschäfte.«
Genau solche waren es allerdings, auch wenn Ryan das nicht verraten durfte – sogar welche von der übelsten Sorte. Es gab Tausende von Menschen, die Tag für Tag arbeiteten, um Dinge herauszubekommen, die sie nicht wissen sollten, und dann unerlaubte Maßnahmen ergriffen.
Aber dieses Spiel spielten beide Seiten – und zwar mit großem Einsatz –, denn es ging dabei nicht um Geld. Es ging um Leben und Tod, und deshalb konnten diese Spiele höllisch unangenehm werden. Aber Cathy lag wegen des kanzerösen Gewebes, das sie dem Verbrennungsofen des Krankenhauses übergeben hatte, auch nicht nächtelang wach, obwohl wahrscheinlich auch diese Krebszellen leben wollten. Aber das war eben einfach Pech.
Oberst Bubowoi hatte die Nachricht auf seinem Schreibtisch liegen und las sie. Seine Hände zitterten nicht, aber um besser nachdenken zu können, zündete er sich eine Zigarette an. Das Politbüro war also bereit, die Sache durchzuziehen. Leonid Iljitsch persönlich hatte ein Schreiben an den bulgarischen Parteivorsitzenden unterzeichnet. Er würde den Botschafter am Montagmorgen bei ihm anrufen lassen, damit er das Treffen arrangierte, das sicher nicht allzu viel Zeit in Anspruch nahm. Die Bulgaren waren Schoßhunde der Sowjetunion, gelegentlich sogar sehr nützliche. Die Sowjets hatten sie bei der Ermordung von Georgi Markow auf der Londoner Westminster Bridge unterstützt – der KGB hatte die Tatwaffe zur Verfügung gestellt, wenn man es so bezeichnen wollte: einen Regenschirm, mit dem die mit dem Gift Ricin gefüllte kleine Metallkugel verabreicht wurde. So hatte man den lästigen Überläufer zum Schweigen gebracht, der im BBC World Service zu viel geredet hatte. Das war zwar schon eine Weile her, aber solche Schulden trugen kein Verfallsdatum. Nicht auf dieser Ebene der Staatskunst. Und nun forderte Moskau diese Schuld ein. Außerdem gab es eine Abmachung aus dem Jahr 1964, in der vereinbart worden war, dass der DS im Westen die Drecksarbeit für den KGB übernehmen würde. Und Leonid Iljitsch versprach, eine Reihe neuer T-72-Kampfpanzer von der Kampfstärke eines ganzen Bataillons zu liefern, was einem kommunistischen Staatschef immer das Gefühl verlieh, fester im Sattel zu sitzen. Außerdem waren sie billiger als die MiG-29, um die Bulgarien gebeten hatte. Als ob ein bulgarischer
Pilot solch eine Maschine fliegen konnte – in Russland kursierte der Witz, dass sie erst ihre Schnurrbärte in den Pilotenhelm stopfen mussten, bevor sie das Visier runterklappten. Schnurrbärte hin oder her, die Bulgaren wurden als die Kinder Russlands angesehen – eine Auffassung, die bis in die Zarenzeit zurückreichte. Und größtenteils waren sie folgsame Kinder, auch wenn sie sich wie diese wenig darum kümmerten, was gut oder böse war, solange sie nur nicht erwischt wurden. Deshalb würde er dem bulgarischen Staatschef den gebührenden Respekt entgegenbringen und seinerseits als der Bote einer größeren Macht herzlich empfangen werden, und der Genosse Vorsitzende würde ein bisschen herumdrucksen und schließlich seine Zustimmung erteilen. Das Ganze stellte sich dar wie ein sorgfältig einstudierter Auftritt des Balletttänzers Aleksander Gudonow – und war genauso vorhersehbar in
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