Red Rabbit: Roman
steckten.
Zaitzew lauschte dem sanften Atem seiner Frau und seiner Tochter. Er selbst war nun hellwach und hing unbehelligt seinen Gedanken nach.
Wann würden sie Kontakt zu ihm aufnehmen? Was würden sie sagen? Ob sie ihre Meinung änderten? Ob sie ihn gar über den Tisch ziehen würden?
Warum war ihm nur wegen jeder Kleinigkeit so verdammt unbehaglich zumute? War es nicht endlich an der Zeit, der CIA wenigstens ein bisschen über den Weg zu trauen? War er den Amerikanern denn etwa keine große Hilfe? War er etwa nicht wertvoll für sie? Selbst der KGB, sonst geizig wie ein kleines Kind mit seinen Lieblingsspielzeugen, kümmerte sich um Wohlbefinden und Ansehen der Überläufer und interessierte sich für sie. Kim Philby zum Beispiel
soff wie ein Loch. Und dann dieser zhopniki Burgess … der war schwul. So hieß es jedenfalls. In beiden Fällen wurde viel erzählt, und der Appetit auf mehr war stets unersättlich. Solche Geschichten wurden durch Klatsch und Tratsch immer umfangreicher.
Zaitzew selbst war ganz anders. Er war schließlich ein Mann von Prinzipien, oder etwa nicht? Diese Frage stellte er sich nun und hatte sogleich die Antwort parat: selbstverständlich. Aus Prinzip nahm er nun auch sein Leben in die eigenen Hände und fühlte sich wie der Partner eines Messerwerfers im Zirkus. Eine einzige Fehleinschätzung würde genügen, und es wäre vorbei mit ihm.
Oleg steckte sich die erste Zigarette des Tages an und dachte zum hundertsten Mal über alles nach, suchte nach einer weiteren sinnvollen Alternative.
Er konnte auch einfach Konzerte besuchen, Einkäufe erledigen, den Zug zurück zum Kiew-Bahnhof nehmen und in den Augen seiner Arbeitskollegen der Held sein, weil er ihnen Videorekorder, Pornofilme und Strumpfhosen für ihre Frauen besorgt hatte.
Doch dann würde der polnische Priester sterben, durch die Hand der Sowjets, einer Hand, der er, Zaitzew, zuvorkommen konnte. Welche Sorte Mann würdest du dann wohl im Spiegel sehen, Oleg Iwan’tsch? Es läuft immer auf dasselbe hinaus, nicht wahr?
Der Versuch, noch einmal einzuschlafen, hatte wenig Sinn, also rauchte Oleg Iwan’tsch seine Zigarette und blieb still liegen, während er durch das Hotelfenster beobachtete, wie der Himmel draußen heller wurde.
Cathy Ryan strich im Halbschlaf mit ihrer Hand über die Stelle im Bett, wo eigentlich ihr Ehemann liegen sollte. Erst die Leere rüttelte sie wach und erinnerte sie sogleich daran, dass er nicht bei ihr, ja sogar außer Landes war. Als sie Sir John Patrick Ryan geheiratet hatte, war nicht die Rede davon gewesen, dass sie das Leben einer Alleinerziehenden führen würde. Zwar war sie nicht die einzige Frau auf der Welt, deren Ehemann auf Geschäftsreisen ging – ihr eigener Vater war selbst oft genug unterwegs, und sie war damit aufgewachsen. Doch bei Jack war es das erste Mal, und es gefiel ihr überhaupt nicht.
Nicht, dass sie damit nicht fertig wurde. Tagtäglich hatte sie sich weit größeren Problemen zu stellen. Sie war auch nicht in Sorge,
dass Jack vom rechten Weg abkommen könnte, während er fort war. Oft genug hatte sie sich das während der Reisen ihres Vaters gefragt – die Ehe ihrer Eltern hatte gelegentlich auf wackligen Füßen gestanden – und nicht gewusst, was ihre inzwischen verstorbene Mutter über das Thema »andere Frauen« wohl gedacht hatte. Doch im Grunde war Cathy nicht beunruhigt. Sie liebte Jack und wusste, dass er ihre Liebe erwiderte. Menschen, die sich liebten, gehörten zusammen. Hätten sie sich kennen gelernt, als er noch Offizier bei den Marines gewesen war, wäre das bestimmt ein Problem gewesen, mit dem sie sich nur schwer hätte abfinden können, denn einen Ehemann zu haben, der womöglich ausrücken und sich in Todesgefahr begeben musste, wäre für sie, davon war sie überzeugt, kaum zu ertragen gewesen. Doch sie hatte ihn erst später kennen gelernt. Ihr Vater hatte sie zum Dinner eingeladen. Dann war ihm eingefallen, auch Jack dazu zu bitten, einen brillanten jungen Broker mit scharfen Instinkten, der bald von der Niederlassung in Baltimore nach New York ziehen würde. Überrascht musste Joe Muller feststellen, dass die beiden jungen Leute sich augenblicklich füreinander interessierten. Dann hatte Jack offenbart, dass er sich wieder auf seine Lehrtätigkeit als Dozent für Geschichte konzentrieren wollte. Daraus ergab sich weniger für Jack als für Cathy ein Problem. Jack konnte Joseph Muller, den Vizepräsidenten von Merrill Lynch, nicht
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