Red Rabbit: Roman
leiden und hatte nach den fünf Jahren, die er unter ihm angestellt gewesen war, endgültig die Nase voll. Joe war für Cathy natürlich immer noch »Daddy«, für Jack aber nur eine Nervensäge, auf die er sich nur mit dem Personalpronomen in der dritten Person bezog.
Woran zum Teufel arbeitet er nur? fragte sich Cathy jetzt. Bonn? Deutschland? NATO-Kram? Diese gottverdammte Geheimdiensttätigkeit – geheimes Material begutachten und geheime Beobachtungen machen, die dann an andere Leute übermittelt wurden, die die Unterlagen vielleicht lasen und darüber nachdachten oder eben auch nicht. Cathy selbst ging jedenfalls einer ehrlichen Arbeit nach: Sie machte kranke Menschen wieder gesund oder half ihnen wenigstens dabei, besser zu sehen.
Nicht dass Jack unnötige Dinge tat. Erst vor wenigen Monaten hatte er es ihr erklärt. Es gab einfach schlechte Menschen in der Welt, und irgendjemand musste schließlich gegen sie antreten. Glücklicherweise brauchte er dazu kein geladenes Gewehr. Cathy hasste
Schusswaffen, selbst diejenigen, die verhindert hatten, dass sie entführt und ermordet wurde – damals zu Hause in Maryland in jener Nacht, die mit der beglückenden Geburt von Klein Jack geendet hatte. Im Übrigen hatte sie während ihrer Zeit als Assistenzärztin in der Notaufnahme Schussverletzungen behandelt. Sie hatte den Schaden gesehen, den Geschosse anrichteten, wenn auch nicht den Schaden, den sie vielleicht an anderen Orten verhinderten. Ihre Welt war in dieser Hinsicht irgendwie eingeschränkt, ein Umstand, den sie durchaus schätzte. Trotzdem hatte sie Jack erlaubt, ein paar von diesen verdammten Dingern zu Hause aufzubewahren, dort, wo die Kinder nicht drankamen, selbst wenn sie auf einen Stuhl kletterten. Manchmal dachte sie, dass sie zu empfindlich war …
Warum ist Jack nicht hier? fragte sich Cathy in der Dunkelheit. Was konnte nur so wichtig sein, dass es ihren Mann von seiner Frau und seinen Kindern fortzog?
Er durfte es ihr nicht sagen. Das war es, was sie wirklich ärgerte. Aber es hatte keinen Sinn, darüber zu streiten, und schließlich hatte sie es nicht mit einem Krebspatienten im Endstadium zu tun. Auch nicht damit, dass Jack mit irgendeinem deutschen Flittchen herummachte. Aber … verdammt! Sie wollte einfach ihren Mann wiederhaben.
Rund anderthalbtausend Kilometer weit entfernt war Ryan schon aufgestanden. Er hatte geduscht, sich rasiert und das Haar gekämmt und war bereit, sich dem Tag zu stellen. Auf Reisen war es für ihn nie ein Problem, morgens zeitig aufzuwachen. Jetzt hatte er nichts zu tun, bis endlich die Botschaftskantine ihre Pforten öffnete. Er blickte auf das Telefon neben dem Bett und dachte daran, zu Hause anzurufen, doch er wusste nicht, wie er mit diesem System eine Verbindung nach draußen herstellen konnte. Außerdem benötigte er wahrscheinlich Hudsons Erlaubnis – und Unterstützung –, um eine solche Mission zu erfüllen. Verdammt! Um drei Uhr morgens war er aufgewacht und hatte sich umgedreht – vergeblich –, um Cathy auf die Wange zu küssen. Das tat er gern, zumal sie seinen Kuss meistens erwiderte, obwohl sie sich später nie daran erinnern konnte. Sie liebte ihn offenbar wirklich. Menschen können nicht schauspielern, wenn sie schlafen. Dies war eine wichtige Tatsache in Ryans persönlichem Universum.
Es hatte keinen Sinn, das Radio anzustellen. Ungarisch – genauer Magyarisch – war eine Sprache, die ursprünglich wahrscheinlich vom Mars stammte. Jedenfalls war es keine irdische Sprache. Jack hatte bislang nicht ein Wort, kein einziges, aufschnappen können, das er aus dem Englischen, Deutschen oder Lateinischen, den drei Sprachen, die er zu unterschiedlichen Zeiten in seinem Leben gelernt hatte, hätte ableiten können. Außerdem sprachen die Einheimischen schnell wie Maschinengewehre und erschwerten damit das Verstehen zusätzlich. Wenn Hudson Jack irgendwo in dieser Stadt sich selbst überlassen hätte, wäre es für ihn unmöglich gewesen, den Weg zurück zur britischen Botschaft zu finden. Entsprechend unsicher fühlte er sich und so verwundbar wie seit seiner frühen Kindheit nicht mehr. Er hätte sich ebenso gut auf einem fremden Planeten befinden können, und auch der Umstand, dass er im Besitz eines Diplomatenpasses war, half nicht, denn für die Bewohner dieser außerirdischen Welt war er beim falschen Land akkreditiert. Daran hatte er bei der Einreise überhaupt nicht gedacht. Wie die meisten Amerikaner glaubte er, dass er
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