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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Zeichensystem, und Zaitzew führte eine Liste darüber. Zweimal erst war er auf solche Fehler gestoßen, und in einem dieser beiden Fälle war ihm von vorgesetzter Stelle gesagt worden, den Fehler als ein Versehen zu ignorieren, was ihn sehr verwundert hatte. Doch der Fehler war anschließend nicht mehr aufgetreten, und so hatte es
sich ursprünglich offenbar doch um einen Irrtum gehandelt. Schließlich kam es, wie ihm von seinem Vorgesetzten versichert worden war, äußerst selten vor, dass ein in der Zentrale ausgebildeter Agent enttarnt wurde. Sie waren weltweit die Besten ihres Fachs und dem Feind im Westen überlegen, oder etwa nicht? Und Major Zaitzew hatte zur Bestätigung mit dem Kopf genickt, seinen Warnvermerk geschrieben und eine entsprechende Notiz zur eigenen Absicherung den Archivunterlagen beigefügt.
    Was, wenn sein unmittelbarer Vorgesetzter ein vom Westen gesteuerter Spitzel war? Das fragte er sich manchmal, meistens abends vor dem Fernseher, wenn er schon ein paar Drinks zu sich genommen hatte. Ein perfekter Coup wäre das. Im ganzen KGB gab es keine einzige schriftliche Liste der Offiziere und Agenten im Einsatz. Nein, das Konzept der so genannten Parzellierung war hier bereits in den zwanziger Jahren entwickelt und eingeführt worden, vielleicht sogar schon früher. Sogar dem Vorsitzenden Andropow war es nicht gestattet, eine solche Liste zu führen, denn letztlich musste auch an seiner Loyalität gezweifelt werden. Der KGB vertraute niemandem, am wenigsten der eigenen Führung. Darum hatten nur Leute wie er, Oleg, Zugriff auf solche Informationen, einfache Nachrichtenübermittler, die selbst nicht im operativen Einsatz waren.
    Aber machte sich der KGB nicht selbst immer ausgerechnet an diejenigen heran, die in den Botschaftsvertretungen anderer Länder für die Verschlüsselung beziehungsweise Dechiffrierung von Nachrichten zuständig waren? Gerade die vermeintlich weniger gescheiten Chargen, denen man nur wenig zutraute, wurden so paradoxerweise zu wichtigen Geheimnisträgern. Häufig waren diese Posten mit Frauen besetzt. Sie zu verführen war das vorrangige Trainingsziel für ausgesuchte KGB-Offiziere. Oleg hatte schon einige Berichte dieser Art zu Gesicht bekommen. Manche schilderten die intimsten Vorgänge bis ins Detail, vielleicht um die Herrschaften in den oberen Stockwerken mit der eigenen Männlichkeit und Staatstreue zu beeindrucken. Sold zu beziehen, um mit Frauen ins Bett zu gehen, war nach Olegs Geschmack nicht besonders heldenhaft, es sei denn, die Frauen waren so hässlich, dass der Verführer ein sehr schweres Los gezogen hatte.

    Kurzum, die niedrigeren Chargen, zu denen auch er, Oleg Iwanowitsch, zählte, kannten häufig die brisantesten Geheimnisse. War das nicht amüsant? dachte er. Gewiss sehr viel amüsanter als Kohlsuppe, so nahrhaft sie auch sein mochte. Letztlich vertraute also auch der Sowjetstaat einigen wenigen Personen, obwohl seinen Funktionären der Begriff »Vertrauen« im Grunde so fremd war wie sonst was. Nun, ein willkommenes Resultat dieser Ironie war zum Beispiel der hübsche grüne Pulli von Swetlana. Zaitzew stapelte ein paar Bücher auf die Sitzfläche des Küchenstuhls und ließ die Tochter darauf Platz nehmen, damit sie mit den Eltern am Tisch essen konnte. Ihre Hände waren noch ein bisschen zu klein für das Besteck aus Zinkaluminium, das aber dafür sehr leicht war und entsprechend einfach zu handhaben. Das Brot musste er ihr noch buttern. Schön, dass sich die Familie echte Butter leisten konnte.
    »Ich bin heute auf dem Nachhauseweg am Spezial-Geschäft vorbeigekommen und habe etwas Hübsches gesehen«, bemerkte Irina wie beiläufig, aber wohl doch mit dem Hintergedanken, die gute Laune des Mannes bei Tisch für sich zu nutzen. Die Suppe war heute ausgesprochen lecker – der Speck stammte aus Polen. Irina hatte also wieder eingekauft, was ihr in den letzten Monaten zur lieben Gewohnheit geworden war, und schon gab sie offen zu, dass sie sich ein Leben ohne diese kleine Extravaganz nicht mehr vorstellen konnte.
    »Was ist es denn?«, fragte Oleg und nippte an der Teetasse.
    »BHs, aus Schweden.«
    Oleg schmunzelte. Für diejenigen aus heimischer Herstellung schien man bei drallen Landpomeranzen Maß genommen zu haben, die nicht Kleinkinder, sondern Kälber säugten. Jedenfalls waren diese Büstenhalter viel zu groß für seine Frau. »Wie viel?«, fragte er, ohne aufzublicken.
    »Nur siebzehn Rubel pro Stück.«
    Siebzehn frei konvertierbare

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