Red Rabbit: Roman
ihnen waren Fanatiker, die mit den Grundprinzipien ihres Glaubens etwa ebenso wenig am Hut hatten wie der Papst mit Karl Marx. Der Islam war einfach zu groß, und er litt an den Krankheiten der Größe. Aber wenn er einen Muslim haben wollte, woher sollte er ihn nehmen? Der KGB operierte natürlich nicht zuletzt in Ländern mit islamischer Bevölkerung, was im Übrigen auch die Geheimdienste anderer sozialistischer Staaten taten. Hmm, dachte Roschdestwenski, das ist eine gute
Idee. Die meisten Verbündeten der Sowjetunion hatten Geheimdienste, und die meisten standen unter der Fuchtel des KGB.
Der beste von ihnen war die für Spionage zuständige Abteilung der Stasi der DDR, die von ihrem Chef Markus Wolf hervorragend geführt wurde. Aber dort gab es nur wenig Muslime. Auch die Polen waren gut, aber für diese Operation konnte er sie auf keinen Fall verwenden. Das Land war zu stark von den Katholiken infiltriert – und das hieß, es war, wenn auch nur aus zweiter Hand, vom Westen infiltriert. Ungarn … nein, auch dieses Land war zu katholisch, und die einzigen Muslime dort waren Ausländer in ideologischen Schulungszentren für Terrorgruppen, und mit denen wollte er lieber nicht zusammenarbeiten. Dasselbe galt für die Tschechen. Rumänien galt als kein echter sowjetischer Verbündeter. Der dortige Machthaber, obwohl ein rigider Kommunist, gerierte sich mehr wie die in seinem Land beheimateten Zigeunerganoven. Blieb noch … Bulgarien. Natürlich. Ein Nachbar der Türkei, und die Türkei war ein muslimisches Land, allerdings eines mit einer verweltlichten Kultur und einem Haufen brauchbaren Gangstermaterials. Und die Bulgaren hatten viele grenzüberschreitende Kontakte, die häufig als Schmuggelaktivitäten getarnt waren, in Wirklichkeit jedoch dazu dienten, ähnlich wie Goderenko in Rom Informationen über die NATO zu beschaffen.
Folglich würden sie auf den Agenten in Sofia zurückgreifen und die Bulgaren die Drecksarbeit machen lassen. Schließlich standen sie schon seit langem in der Schuld des KGB. Die Moskauer Zentrale hatte ihnen geholfen, auf der Westminster Bridge einen renitenten Staatsbürger loszuwerden, eine außerordentlich raffinierte Operation, die nur aufgrund unglaublichen Pechs teilweise aufgeflogen war.
Aber daraus konnte man etwas lernen, rief sich Oberst Roschdestwenski in Erinnerung. Genau wie dieser Mafiamord durfte die Operation auf keinen Fall so raffiniert sein, dass jeder sofort an den KGB dachte. Nein, es musste der Eindruck entstehen, als steckten Gangster dahinter. Aber selbst dann gab es Risiken. Die westlichen Regierungen würden auf jeden Fall argwöhnisch reagieren – ohne eine direkte oder auch nur indirekte Verbindung zum Lubjanka-Platz konnten sie ihren Argwohn jedoch in der Öffentlichkeit nicht äußern …
Würde das genügen?
Die Italiener, die Amerikaner, die Engländer – sie würden sich alle ihren Teil denken. Sie würden hinter vorgehaltener Hand darüber sprechen, und dieses Getuschel drang womöglich an die Presse durch. War das schlimm?
Das hing davon ab, wie wichtig diese Operation für Andropow und das Politbüro war. Sie war mit Risiken verbunden, aber im großen politischen Rahmen wog man die Risiken gemeinhin gegen die Bedeutung der Mission ab.
Die Außenstelle in Rom würde also das Ausspähen übernehmen. Diejenige in Sofia musste die bulgarischen Freunde damit beauftragen, den Schützen anzuheuern – der wahrscheinlich mit einer Pistole operieren würde. Nahe genug heranzukommen, um ein Messer benutzen zu können, stellte planungstechnisch zu hohe Anforderungen, deshalb konnte man eine solche Möglichkeit nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, und Gewehre waren zu schwer zu verbergen, obwohl eine Maschinenpistole für so etwas immer eine beliebte Waffe war. Und der Schütze wäre nicht einmal ein Bürger eines sozialistischen Landes. Nein, sie würden jemanden aus einem NATO-Land nehmen. Die Sache war zwar nicht ganz einfach – aber so schwierig nun wieder nicht.
Roschdestwenski zündete sich eine weitere Zigarette an und ging mental in seinem Gedankengebäude umher, suchte nach Fehlern, suchte nach Schwachstellen. Es gab einige. Es gab immer Schwachstellen. Das Hauptproblem wäre, einen brauchbaren Türken zu finden, der den Anschlag durchführte. Diesbezüglich musste man sich auf die Bulgaren verlassen. Wie gut war ihr Geheimdienst wirklich? Roschdestwenski hatte nie direkt mit ihnen zusammengearbeitet und kannte sie nur ihrem Ruf
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