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- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond

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Titel: - Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Blakley-Cartwright , David Leslie Johnson
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möchte, dass er verhört wird«, sagte Solomon zu seinen Soldaten, ohne Valerie zu beachten. »Seht doch nur, wie er da hockt …«
    Solomon hatte nicht ganz unrecht. Von da, wo sie standen, sah Claude zwar klein, aber er keineswegs harmlos aus. Er sah wild aus, wie ein flügge gewordener Geier, der verlassen in einem Nest aus Zweigen und Menschenhaar saß und sich von nun an alleine durchschlagen musste.
    Aber, so fragte sich Valerie, was wäre eine angemessene Reaktion? Er reagierte so, wie sie eigentlich alle hätten reagieren sollen. Wie konnten sie trotz der tragischen und
blutigen Ereignisse, die sie heimgesucht hatten, so selbstgefällig bleiben? Wie war es möglich, dass diese Dinge so verharmlost wurden?
    Doch nicht einmal die eigene Mutter trat für Claude ein. Marguerite saß auf einem Heuballen und schien verwirrt. Sie konnte nicht nach oben sehen. Sie konnte nur auf ihre Hände starren und sich fragen, was aus ihrem süßen, sonderbaren Jungen werden sollte. Sie hatte nie gewusst, was sie mit ihm anfangen sollte, hatte ihn nie haben wollen und sich so von jeder Schuld losgesprochen.
    »Seine Sprache ist verdreht«, erklärte Solomon. »Er spricht mit Dämonen. Er übt die schwarzen Künste aus. Er ist ein Zauberer!«
    Der große Solomon, so erkannte Valerie, hatte das grob vereinfachende Menschenbild eines Schuljungen. Er unterteilte die Menschen in Jäger und Gejagte, in Gute und Böse. Er konnte dem Mehrdeutigen keinen Platz einräumen. Was nicht rein war, musste unrein sein.
    Aber erst heute war sie selbst solch einfältigem Unsinn erlegen und hatte ihre Großmutter verdächtigt, hatte Peter verdächtig. Ihre Wangen glühten vor Scham.
    »Er ist nicht böse, ich kenne ihn!«, schrie sie und klagte sich selber an, indem sie Solomon herausforderte.
    »Besser, als ich meine eigene Frau gekannt habe?«, erwiderte Solomon und wandte ihr endlich das Gesicht zu.
    Darauf hatte Valerie keine Antwort.
    Solomon hielt eine abgegriffene Tarotkarte in die Höhe: der Narr, ein barfüßiger Bettler. »Sieh her. Dies wurde neben der Leiche deiner Schwester gefunden.«
    »Er zaubert«, warf Madame Lazar ein und löste sich aus der Menge. »Ich wusste gleich, dass es Teufelswerk war.«

    Valerie sah Madame Lazar fassungslos an. Wenn es jemals eine Hexe gegeben hat …
    »Er ist anders«, sagte Valerie und schaute zu Claude nach oben. Seine Augen glitzerten wie Wasser. »Aber deswegen ist er noch lange nicht schuldig.«
    »Unschuldige laufen nicht davon«, erwiderte die alte Hexe. »Er muss vor etwas davongelaufen sein.«
    »Wenn die Unschuldigen ungerecht sind, möchte ich lieber zu den Schuldigen gehören.«
    Mit finsterer Miene wandte sich Madame Lazare ab, plötzlich voller Misstrauen gegen Valerie.
    Solomon blickte zu dem maskierten Schützen. »Hol ihn da runter.«
    Roxanne wollte wieder zu Solomon stürzen, doch der maskierte Schütze verscheuchte sie wie eine Fliege.
    Zwei Soldaten schnallten die Sporen von ihren Stiefeln ab und zückten ihre Sicheln. Sie krallten die Finger zwischen die Bretter und kletterten wie Insekten.
    »Erschreckt ihn nicht«, rief Roxanne. Er würde tief fallen.
    Claude schlüpfte unter der Kornschütte hindurch, als er sie kommen sah. Einen Augenblick schien es, als würde er tatsächlich fallen, doch er richtete sich nur auf, um festzustellen, dass man ihn auf der obersten Plattform in die Enge getrieben hatte.
    Als die Soldaten ihn ergriffen, packte Roxanne Pater Auguste am Arm. Er wirkte nervös und unschlüssig wie ein Kind, das sich nicht entscheiden konnte. Er wusste nicht mehr, auf wessen Seite er stand.
    »Tun Sie etwas«, flehte Roxanne. »Bitte!«
    Doch Pater Auguste sah stur geradeaus und antwortete
nicht. Er trat beiseite und ließ die Soldaten vorbei, die einen sich windenden Claude abführten. Wie es schien, hatte er sich für die andere Seite entschieden.
    Roxanne sank schluchzend zu Boden.
    Valerie empfand etwas, was sie mit sieben das letzte Mal empfunden hatte.
    Vollkommene Hilflosigkeit.

Kapitel 21
    D ie Soldaten schleppten Claude in eine baufällige Scheune hinter dem Kornspeicher und ließen seinen schlaffen Körper zu Boden gleiten. Als er die glitzernden grauen Augen aufschlug, erblickte er über sich eine groteske, hoch aufragende Gestalt. Den eisernen Elefanten.
    Claude schrie, nur um des Schreiens willen, denn er wusste, dass es nicht ändern würde. Verzweifelt versuchte er, von der Foltermaschine fortzukrabbeln. Er kam bis zur gegenüberliegenden Wand,

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