Red Shark: Thriller (German Edition)
Visier. Stimmt das?«
Karst hatte damals in der offenen Tür seines Büros gestanden. Seine Augen leuchteten wie Laser, und er zielte mit einer 9-mm-Zastava auf Scotts Brust. Scott hätte mit einer Hand einen Feuerstoß aus seiner MP5 abgeben können, die er herumgeschwungen und damit auf Karst gezielt hatte. Er hätte ihn zwar rückwärts in den Hof geschleudert, aber ihn selbst hätte es auch erwischt. So hatte er gezögert. Karsts durchdringender Blick war zu den SEALs gezuckt, die alles mit Sprengladungen verminten, hatte seine toten Mitrebellen erfasst, die auf dem Boden lagen, und schließlich zu den durchwühlten Karteikästen und den zerstörten Computern. Dann war er herumgefahren, und in dem Bruchteil einer Sekunde, bevor Scott das Feuer eröffnet hatte, war er wie in grauer Schemen verschwunden. Minuten später war Karsts Hauptquartier, seine Folterkammer und sein Waffenlager in einer gigantischen Explosion über den Hafen von Dubrovnik verteilt worden.
Scott überlegte sich kurz, ob er Jefferson sagen sollte, dass er damals den ausdrücklichen Befehl gehabt hatte, Karst nicht zu töten, sondern versuchen sollte, ihn zu verhaften. Ein Prozess für Karst in Den Haag, nicht einfach eine Exekution durch die SEALs hätte der NATO-Operation im Balkan Legitimität verliehen. Trotzdem bereute Scott, dass er damals nicht geschossen hatte: Karst war nach wie vor auf freiem Fuß, und das bedeutete, dass die Mission trotz all ihrer taktischen Erfolge ein Fehlschlag gewesen war. Das warf man Scott in der Navy noch immer vor, ebenso wie die Beinahe-Katastrophe im Gelben Meer vor Nordkorea. Wenn auf Matsu Shan irgendetwas schiefging, dann würde er dafür wieder den Schwarzen Peter bekommen, das wusste er jetzt schon sicher.
Jefferson steckte das Kampfmesser weg und sagte: »Na ja, es braucht schon einen harten Mann am Abzug, wenn man einen Killer mit einer Pistole in der Hand voll Blei pumpen soll.«
Die Lautsprecheranlage der Reno brummte, und Kramer meldete: »Commander Scott, Colonel Jefferson … sofort in die Kommandozentrale.«
Jefferson fiel die Dringlichkeit in Kramers Stimme auf, und er sah Scott fragend an.
»Da tut sich was«, sagte Scott.
Deacon ordnete an: »Schiff auf Lautlosbetrieb umstellen.« Praktisch im gleichen Augenblick schaltete sich die Innenbeleuchtung der Reno von weißem auf rotes Licht um, um so die Mannschaft darüber zu informieren, dass sich die Lage geändert hatte.
»Weps, Statusmeldung!«, forderte Deacon an.
»Sir, alle Rohre geladen, aber nicht geflutet, Außentüren geschlossen. Energiezellen für alle Torpedos aktiviert und in Bereitschaft.«
Deacon sah sich die Hauptkonsole der Feuerleitstelle an. Sie zeigte einen breit angelegten geographischen Überblick mit der Position der Reno , im Augenblick östlich von Taiwan in der Nähe von Matsu Shan. Ein blauer Lichtpunkt auf dem Display – die Reno – bewegte sich langsam nach Nordosten. Zahlreiche grüne Lichtpunkte repräsentierten »freundschaftliche« – Handelsschiffe. Ein einzelner roter Punkt auf dem Display zeigte die Position eines bisher nicht identifizierten Kontakts, den die Feuerleitstelle vorerst als Sierra Eins bezeichnete.
Deacon sah Scott in die rot beleuchtete Kommandozentrale kommen, gefolgt von Jefferson. »Der Sonar hat eine Geräuschquelle erfasst, die wir bisher noch nicht identifiziert haben, die aber ein chinesisches U-Boot sein könnte.«
»Diesel oder Atom?«, fragte Scott.
»Diesel.«
»Ist es diese Kilo?«
Deacon nickte. »Höchstwahrscheinlich.«
»Großer Gott!«, rief Jefferson. »Was zum Teufel macht der denn hier?«
»Welche Peilung?«, wollte Scott wissen.
»Eins-eins-vier«, antwortete Kramer von der Feuerleitstelle. »An der Entfernung arbeiten wir noch, die bekommen Sie in einer Minute.«
»Kann er uns hören?«, fragte Jefferson und folgte Scott und Deacon in den Sonarraum am Bug steuerbords der Kommandozentrale.
Die Abteilung hatte vier Stationen, die jeweils von Wachhabenden besetzt waren, darunter der befehlshabende Offizier, ein Oberbootsmann. Jeder dieser Männer saß vor einem Paar vertikaler Sonarmonitore, die mit ihrem unheimlichen grünblauen Licht den abgedunkelten Sonarraum und die Gesichter der Männer beleuchteten.
Auf jedem Monitor stellte eine Reihe von vertikalen Linien, der so genannte Wasserfall, visuell dar, was die runde BSY-2-Sonarreihe hörte. Drei Sonarleute der niedrigeren Dienstgrade verfolgten diese Breitband-Darstellung von Geräuschen und
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