Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
Diese Wunde macht mir wirklich zu schaffen. Bier ist Medizin für mich, ehrwürdiger Abt.«
Matthias stöhnte und ließ verzweifelt den Kopf hängen. Familie Wühlmaus gefangen genommen; Tod oder Sklaverei, etwas anderes hatten die Unglücklichen nicht zu erwarten. Durch die Rettung des Igels ermutigt, wollte Matthias schon vorschlagen, dass er und Konstanze sich zusammen mit ein paar auserwählten Freiwilligen zur St.-Ninian-Kirche wagen sollten, um einen Rettungsversuch zu unternehmen. Es war, als hätten der Abt und Konstanze gleichzeitig seine Gedanken erraten. Abt Mortimer seufzte, sah Matthias an und schüttelte den Kopf. Die Dächsin wurde da schon deutlicher.
»Das kannst du vergessen, Matthias! Mach dir keine Hoffnungen, Cluny die Familie Wühlmaus unter der Nase wegschnappen zu können. Eine Hand voll von uns gegen eine Hundertschaft bewaffneter Ratten in ihrem eigenen Lager. Lächerlich! Wenn unser Kopf erst einmal an Clunys Standarte baumelt, sind wir für die Verteidigung von Redwall herzlich wenig von Nutzen. Matthias, du bist ein sehr mutiger junger Mäuserich, also versuche jetzt bitte, den anderen mit gutem Beispiel voranzugehen und keine Dummheiten zu machen oder dich etwa töten zu lassen.«
Als er darüber nachdachte, sah Matthias ein, dass die Dächsin ihm einen weisen Rat erteilt hatte. Noch lange, nachdem sich alle zur Nachtruhe begeben hatten, war Matthias auf und grübelte. Hunderte verrückter Gedanken schossen ihm durch den Kopf, von denen einer wilder war als der andere. Verwirrt wanderte er in den Großen Saal und trat vor den Wandteppich. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hielt er mit Martin dem Krieger Zwiesprache.
»Ach Martin, was hättest du an meiner Stelle getan? Ich weiß, dass ich noch jung bin, ein Novize, der noch nicht einmal ein vollwertiges Mitglied von Redwall ist, aber du bist doch auch einmal jung gewesen. Ich weiß, was du getan hättest. Du hättest deine Rüstung angelegt, dein mächtiges Schwert genommen, wärst zu der Kirche hinuntergegangen und hättest gegen die Ratten gekämpft, bis sie Familie Wühlmaus freigelassen hätten oder unter deiner Klinge zugrunde gegangen wären. Aber leider, jene Zeiten sind vorbei. Ich habe kein magisches Schwert zur Hilfe, nur den Rat meiner Ältesten und Vorgesetzten, den ich befolgen muss.«
Matthias setzte sich auf den kalten Steinfußboden. Sehnsüchtig heftete er seinen Blick auf Martin den Krieger, der so stolz und so mutig aussah. Was war er doch für eine schneidige Erscheinung. Dann blickte er an sich herunter, wie er da in seiner ausgebeulten grünen Kutte und den übergroßen Sandalen auf dem Boden saß, und er spürte, wie ihm heiße Tränen der Scham und der Ohnmacht in die Augen traten und über sein Schnurrhaar liefen. Er konnte sie nicht zurückhalten, und so weinte er ungehemmt, bis ihn eine sanfte Berührung an der Schulter hochschrecken ließ. Es war Kornblume.
Matthias wünschte, er wäre tot!
Schnell wandte er sein Gesicht ab, wusste aber, dass sie seine Tränen gesehen hatte.
»Bitte geh weg, Kornblume«, schluchzte Matthias. »Ich will nicht, dass du mich so siehst.«
Die kleine Feldmaus ging aber nicht. Sie setzte sich neben Matthias auf den Boden. Mit einem Schürzenzipfel wischte sie sanft seine Tränen fort. Für eine so schüchterne kleine Maus hatte sie eine ganze Menge zu sagen.
»Matthias, schäme dich nicht, ich weiß genau, warum du weinst und dich grämst. Weil du lieb und gut bist und nicht so eine hartherzige, mitleidslose Ratte wie Cluny. Bitte hör mir zu. Selbst die Stärksten und Mutigsten müssen mal weinen. Es ist ein Zeichen dafür, dass sie ein großes Herz haben, eines, das sich anderer Lebewesen erbarmt. Du bist mutig, Matthias. Bereits jetzt hast du für jemanden, der noch so jung ist, große Dinge vollbracht. Ich bin nur eine einfache Feldmaus vom Lande, aber sogar ich kann erkennen, dass du mutig bist und dich als Anführer eignest. Du hast ein Feuer in dir und jeden Tag leuchtet deine Flamme heller. Es gibt niemanden wie dich, Matthias. Du strahlst große Erhabenheit aus. Eines Tages werden Redwall und das ganze Land in deiner Schuld stehen. Matthias, du bist ein wahrer Krieger.«
Matthias stand mit trockenen Augen und hoch erhobenem Haupt auf; er fühlte sich größer als je zuvor. Er half Kornblume auf und verneigte sich vor ihr.
»Kornblume, wie kann ich dir jemals für deine Worte danken? Auch du bist eine ganz besondere Maus. Es ist spät geworden. Geh ruhig
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