Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
ihre besonderen Fähigkeiten nur bei Jahrmärkten und Sportwettkämpfen von Nutzen gewesen, aber jetzt würden sie vielleicht auch zum Töten eingesetzt werden.
Die Otter schleppten Säcke mit glatten Kieselsteinen herbei. Mit ihren Schleudern aus Weinreben konnten sie die Steine mit großer Wucht und absoluter Treffsicherheit von sich katapultieren. Gruppen von Feldmausbogenschützen legten ihre Pfeile aus Distelstacheln mit der Kerbe in die Sehne ihrer Langbogen. So manch plündernder Vogel war von ebendiesen winzigen Bogenschützen schon davongejagt worden. Scharen von Mäusen aus Redwall waren dabei, Hieb und Abwehr mit dem Stock zu üben.
Unten an der Mauer, auf dem Rasen, leitete der Vormaulwurf die Erdarbeiten seiner Mannschaft. Sie waren dabei, einen Graben auszuheben, der von einem Biber mit angespitzten Holzpflöcken gesäumt wurde. Mit einem Flaschenzug wurden körbeweise Steine und Schutt aus dem Graben die Mauer hinaufgeschafft. Die Verteidiger schichteten daraus kleine Haufen am Rande der Brustwehr auf.
Matthias nahm eine Gruppe von Mäusen aus Redwall beiseite, um sie im Gebrauch des Schlagstockes zu unterweisen – es hatte sich herausgestellt, dass er eine natürliche Begabung für den Umgang mit diesem langen Eschenstock hatte. Nie zuvor hatten die Mäuse irgendeine Form von Kampfsport ausgeübt, sie waren unbeholfen und ängstlich. Aber sie hatten selbst wählen können, ob sie von Konstanze den Kampf mit der Keule und das Ringen oder von Matthias den Umgang mit dem Schlagstock lernen wollten, und sie hatten sich für Letzteres entschieden.
Matthias stellte fest, dass er sie hart anpacken musste. Also brachte er sie mit ein paar heftigen Schlägen schwer zu Fall, um auch die zaghafteren Seelen unter ihnen so wütend zu machen, dass sie zurückschlugen.
»Pass auf deinen Kopf auf, Bruder Anton!«
Zack!
»Ich hab dich gewarnt, Bruder! Jetzt gib Acht, ich greife dich wieder an.«
Zack!
»Nein, nein! Nun steh doch nicht einfach nur so herum, Bruder! Verteidige dich! Schlag auf mich ein.«
Zack, krach!
Diesmal war es Matthias, der sich auf den Hosenboden gesetzt hatte und sich benommen seinen schmerzenden Kopf rieb. Konstanze kicherte.
»Tja, Matthias, da hast du allerdings selber Schuld. Du hast Bruder Anton schließlich dazu aufgefordert, auf dich einzuschlagen, und genau das hat er getan. Vielleicht bringe ich ihn dazu, an meinem Unterricht mit der Keule teilzunehmen. Er zeigt gute Ansätze.«
Matthias stand wieder auf und lächelte kläglich. Er stützte sich auf seinen Stock. »Ja, er ist sehr kräftig, aber ich wünschte dennoch, wir hätten richtige Kriegswaffen – Schwerter, Dolche und dergleichen. Mit Holzstöcken werden wir wohl kaum viele Ratten töten können.«
»Vielleicht nicht«, antwortete die Dächsin, »aber du darfst nicht vergessen, dass wir hier sind, um uns zu verteidigen, nicht um anzugreifen oder gar zu töten.«
Matthias warf seinen Stock hin. Mit einer Kelle schöpfte er etwas Wasser aus einem Eichenkübel und trank in vollen Zügen, dann ließ er sich den Rest über seinen schmerzenden Kopf laufen.
»Eine weise Bemerkung, Konstanze, aber versuch mal, das Cluny und seiner Horde zu erzählen. Du wirst schon sehen, wie weit du bei denen damit kommst.«
An jenem Tag wurde das Mittagessen im Obstgarten eingenommen. Matthias stellte sich zusammen mit den übrigen Waldbewohnern an, um sein Essen zu erhalten: eine Schale mit frischer Milch, ein großes Stück Weizenbrot und etwas Ziegenkäse. Kornblume teilte das Essen aus. Sie gab Matthias eine besonders große Käseecke. Er schob den Ärmel seiner Kutte hoch und zog ein Ende ihres Stirnbandes hervor.
»Schau mal, Kornblume, das hat mir gestern Nacht eine sehr gute Freundin gegeben.«
Sie lachte ihn an. »Iss dein Mittagessen, Mäusekrieger, oder ich zeige dir meine todbringende Treffsicherheit mit einem Stück Käse.«
Auf der Suche nach dem alten Methusalem schlenderte Matthias im Schatten der Obstbäume dahin. Unter einem Pflaumenbaum ließ der junge Mäuserich sich fallen und begann mit dem Mittagessen. Methusalem saß da, mit dem Rücken gegen den Baum gelehnt, und hatte seine Augen geschlossen, er schien zu dösen. Ohne die Augen zu öffnen, sprach er Matthias an: »Wie geht es mit der Kampfausbildung voran, mein junger Stockmeister?«
Matthias beobachtete, wie ein paar winzige Ameisen seine heruntergefallenen Brotkrumen davonschleppten, als er antwortete: »So gut es eben geht, Bruder Methusalem.
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