Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
die oberste Treppenstufe und landete auf allen vieren im Großen Saal. Er lag am Boden und starrte angestrengt durch das Dunkel hindurch auf den Wandteppich. Martin war noch da, aber … er bewegte sich!
War es ein Luftzug? Nein, unmöglich. Das Abbild des Mäusekriegers wackelte hin und her, als würde jemand daran zerren. Matthias konnte einen Schatten sehen, aber nichts, was diesen Schatten warf. Er sprang auf die Füße und rannte vorwärts, als das Bild von Martin aus dem Wandteppich gerissen wurde.
Eine Ratte hielt es!
Für Matthias gab es keinen Zweifel. Es war eine Ratte, von Kopf bis Fuß pechschwarz und vom Dunkel der Nacht kaum zu unterscheiden.
Schatten hörte die Schritte hinter sich. Mit eisiger, kaltblütiger Berechnung wirbelte er herum, als sein Gegner angriff. Er war sich ganz sicher, dass er einen so kleinen Mäuserich im Kampf besiegen würde, aber sein Befehl lautete, das Bild zu stehlen, und nicht, mit kleinen Mäusen zu kämpfen. Außerdem war es möglich, dass die Maus sich an ihn klammerte und um Hilfe schrie, bis jemand kam. Wie ein öliger Dunstschleier vollzog Schatten zwei taktisch kluge und schnelle Bewegungen. Er krümmte seinen Körper, machte eine Rolle vorwärts und warf Matthias um wie einen Kegel. Mit einem Satz glitt er zur Tür hinaus, schlug sie zu und floh den Kreuzgang hinunter.
Matthias sprang auf und brüllte aus vollem Halse: »Haltet die Ratte! Haltet die Ratte!«
Die Wachposten waren sofort alarmiert.
Während er voranstürmte, sah Schatten, wie Konstanze ihm mit einem gewaltigen Spurt den Weg zu jener Treppe abschnitt, die zur Brustwehr hinaufführte. Er änderte die Laufrichtung und versuchte, die nächste Treppe zu erreichen, während er den Dachs im Stillen verfluchte. Jetzt würde er sein Kletterseil brauchen, um schnell zur Straße hinunterzugelangen.
Matthias stürzte aus der Abtei. Er sah, wie Schatten die Richtung änderte. Er hatte die Situation blitzschnell erfasst, lief quer über den Innenhof und holte den Dieb am Fuße der Treppe ein. Mit einem wahren Hechtsprung warf sich Matthias auf Schatten und bekam ihn an den Beinen zu fassen, sodass er auf die unteren Treppenstufen stürzte.
Der Schatten hielt das Stück Wandteppich immer noch fest umklammert. Er wand sich wie ein Aal, drehte sich auf den Rücken und trat mit seinem freien Fuß brutal auf den Kopf des jungen Mäuserichs ein. Matthias versuchte vergeblich, sich an ihm festzuhalten, aber sein Gegner war viel größer und schwerer und trat ihm hart ins Gesicht – wieder und wieder. Der große, knochige Fuß mit seinen scharfen Klauen stieß und krallte immer wieder zu und schließlich zeigte es Wirkung. Matthias erschlaffte, er verlor das Bewusstsein.
Konstanze hatte nun die andere Treppe erklommen. Als sie die Brustwehr erreicht hatte, lief sie los, wobei sie immer wieder den Steinhaufen ausweichen musste. Sie sah, wie Matthias unter den wilden Fußtritten zu Boden ging, und rannte noch schneller, wurde aber immer wieder von panisch flüchtenden Mäusen behindert, die glaubten, es handele sich um einen Massenangriff. Der Einzige außer Konstanze, der seine Sinne noch beisammen hatte, war Kornblumes Vater. Er war näher am Treppenaufgang als sie und rannte geradewegs in den Eindringling hinein. Schatten mühte sich nach Kräften, sein Kletterseil zu finden.
»Ergib dich, Ratte, ich habe dich!«, rief Herr Feldmaus, als er den Dieb zu fassen bekam. Aber während Schatten versuchte, das Seil aus seinem Beutel zu zerren, packte er den Griff seines Dolches. Er zog ihn rasch heraus und stieß ihn zweimal in den ungeschützten Körper des Feldmäuserichs.
Konstanze erreichte sie gerade, als das Opfer verwundet niederfiel. Mit hoch erhobenem Dolch drehte sich Schatten zu ihr um. Konstanze holte mit einer weit ausladenden Bewegung Schwung und erwischte Schatten genau am Kinn. Unter der Wucht des Aufpralls wurde der Dieb hochgeschleudert, und noch bevor Konstanze ihn packen konnte, hatte er das Gleichgewicht verloren und war mit einem schrecklichen Schrei über den Rand der Brustwehr gestürzt. Er fiel hinab, wobei sein Körper immer wieder am harten Mauerwerk abprallte. Mit einem schauderhaften dumpfen Aufprall landete er auf der nassen Straße.
Mit Zottelohr im Gefolge stürmte Cluny auf den Schwerverwundeten zu. Trotz seiner grauenhaften Verletzungen schaffte Schatten es noch, sich auf eine Pfote zu stützen.
»Cluny, ich bin verletzt, hilf mir«, keuchte er.
Das Stück Wandteppich lag auf
Weitere Kostenlose Bücher