Regenbogen-Welt (German Edition)
vertieften. Sie versetzte der Freundin
einen derben Stoß. „Musst du mich so erschrecken?”
„Wieso?”, fragte Barb scheinheilig. „Woher willst du denn wissen,
ob ich dich begleite? Du hast mich nicht einmal gefragt.”
„Das versteht sich doch wohl von selbst”, trötete Saha. „Wir sind
seit dem Tag deiner Geburt unzertrennlich. Schon vergessen?”
In Barbs schönen Augen tanzten übermütige Funken. „Unzertrennlich
ist wohl übertrieben ... wir haben zwar unsere wilden Jahre zusammen verbracht,
aber zwischenzeitlich ...”
„Haben wir uns mal gezankt ... ich weiß, ich weiß.” Saha wurde
nicht gern an diese Zeit erinnert. Aus zwei Gründen – weil sie nicht an die
trostlosen Monate ohne Barb erinnert werden wollte, und zweitens, weil sie an
dem Streit schuld gewesen war. Ein Streit, den Saha vom Zaun gebrochen hatte.
Doch sie war bitter dafür gestraft worden, denn sie hatte sich ohne Barb einsam
und verlassen gefühlt und reumütig um Verzeihung gebeten.
Ein Lächeln stahl sich in Barbs Augen. Sie wusste, dass Saha
nicht gern daran erinnert wurde, dass sie aus Eigensinn ihre Freundschaft aufs
Spiel gesetzt hatte. Doch Barb machte es Spaß, Saha damit aufzuziehen. Es
entsprach ihrem ausgelassenen Wesen, die Freundin zu foppen. Und Saha fiel
immer wieder darauf herein.
Sie saßen eine Weile in trauter Zweisamkeit auf dem Stängel, der
leicht im Wind wippte. Genossen das stumme Miteinander. Saha dachte an ihre
Mutter, die immer gesagt hatte, dass sich wahre Freundschaft durch die
Fähigkeit zeige, auch gemeinsam schweigen zu können.
Saha betrachtete Barb von der Seite. „Das war doch eben nicht
dein Ernst?“
„Was?”, fragte Barb und blinzelte kokett mit den Wimpern. Spielte
perfekt die Ahnungslose.
„Dass du mich nicht begleitest.”
„Das habe ich nicht gesagt!”
„Barb!”
„Schon gut”, sagte Barb. „Ich werde dich natürlich begleiten.
Glaubst du wirklich, ich bleibe in dieser Welt zurück und werde alt und grau,
und du wanderst in der Weltgeschichte herum und erlebst die tollsten Abenteuer?
Erreichst womöglich tatsächlich die Fünfte Welt. Und das alles ohne mich. Das
könnte dir so passen!”
Wenige Tage später schickte Saha Heuschreckenkuriere aus, um die
anderen Tiere, die mit ihnen aufbrechen wollten, zusammenzutrommeln. Es waren
nicht viele. Außer Uhura, Barb, Ishtar und Shirkan wollten Hazee, das
Eichhörnchen, Jabani, die Fledermaus-Frau, Kasur, die Schlange und Tuc, der
Käfer, sie begleiten. So waren sie ein bunt gemischtes Grüppchen. Wie eine
Ansammlung animalischer Flüchtlinge, die eine bessere Welt suchten. Das schoss
zumindest Saha durch den Kopf.
Sie lächelte in sich hinein.
„Kommt Iman nun mit oder nicht?”, wollte Kasur wissen und
schlängelte sich träge um einen Ast. „Es wäre hilfreich, sie in der Nähe zu
wissen.”
„Ich weiß”, versicherte Saha hastig. „Sie hat sich noch nicht
endgültig entschieden. Aus dem Grund werde ich sie morgen noch einmal
aufsuchen.”
Kasur schlug spielerisch mit der Schwanzspitze. Saha wusste, dass
die Schlange irgendetwas beunruhigte. „Was ist mit dir, Kasur? Warum bist du so
nervös?”
Kasurs gespaltene Zunge fuhr blitzschnell ein und aus. Dabei gab
die Schlange einen zischelnden Laut von sich. Saha fühlte sich nie wohl in
ihrer Nähe. Der Blick der Schlange hatte immer etwas Hinterlistiges. Etwas
Unergründliches.
Kasur zischelte erneut. „Es ist nichts Bestimmtes. Nur so eine
Ahnung, dass es besser wäre, Iman auf unserer Seite zu wissen.”
„Ich werde mein Bestes tun, sie zu überzeugen”, versprach Saha.
Kasurs lidlose Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie
betrachtete Saha von oben bis unten. Maß sie Millimeter für Millimeter. Saha
fühlte sich unwohl bei der Musterung. Kasur hatte die üble Angewohnheit, ihr
das Gefühl zu geben, klein und unbedeutend zu sein. Und das hieß bei Saha und
ihrem sonst so unerschütterlichen Selbstbewusstsein eine Menge.
„Shirkan sollte zu Iman gehen”, schlug Kasur ruhig vor.
Saha spürte, wie ihr die Zornesröte in die Wangen schoss.
„Glaubst du, ich bin nicht dazu in der Lage, sie zu überreden?”, rief sie
empört.
Kasur öffnete den Mund, aber Ishtar kam ihr zuvor. „Vielleicht
solltet ihr zusammen gehen”, warf er diplomatisch ein.
Shirkan nickte bedächtig. „Das ist eine gute Idee. Was meinst du,
mein Kind?” Er blickte Saha väterlich an.
Die junge Gottesanbeterin nickte widerstrebend. „Also gut,
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