Regenbogen-Welt (German Edition)
gesagt, man müsse sich
weiterentwickeln, man müsse geistig wachsen”, hielt sie ihm vor.
„Und das kannst du nur, wenn du deine Heimat verlässt?”, fragte
er leise und wusste die Antwort längst.
„Du weißt, dass ich gehen muss!”
Shirkan kannte die Diskussion zur Genüge. Sie nahm immer
denselben Verlauf und endete stets ungnädig. Endete damit, dass Saha zornig
davonrauschte. Aber dieses Mal war es anders. Das fühlte er deutlich. Dieses
Mal wollte sie eine endgültige Entscheidung von ihm. Und er ertrug schon den
Gedanken nicht, dass sie nicht mehr in seiner Welt lebte. Er musste sich dem
Unvermeidlichen beugen: Saha würde sich nicht davon abbringen lassen, in die
Fünfte Welt vorzudringen. Und er konnte sie unmöglich allein ins Ungewisse
ziehen lassen.
„Also schön, man soll ja noch etwas Verrücktes tun, bevor man das
Zeitliche segnet. Ich werde dich beglei...”
Weiter kam er nicht. Saha fiel ihm jubelnd um den Hals. „Ich
wusste es!”, rief sie und schob ihn dann mit ernster Miene von sich. „Und es
wird noch lange dauern, bis du das Zeitliche segnest.” Ihre Gesichtszüge
hellten sich wieder auf und ihre Fühler drehten sich ausgelassen. Zeigten so
ihre Freude. Nur Saha wusste, dass sie sogar außer sich vor Glück war. „Das
muss ich unbedingt Barb erzählen!”, rief sie.
Shirkan blickte zweifelnd zum Himmel. „Heute noch?”
Saha schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Aber heute werde ich
Ishtar und Uhura die gute Nachricht überbringen.” Sie hatte es plötzlich eilig
und verabschiedete sich hastig von ihm.
Shirkan blickte ihr hinterher. Ein zärtliches Lächeln umspielte
seine Mundwinkel. „Als ob ich dich alleine ziehen ließe”, sagte er leise und
drehte sich um.
Saha lag lange wach. Ihre Ankündigung, dass Shirkan sie
begleitete, hatte sowohl bei Ishtar als auch bei Uhura Zufriedenheit ausgelöst.
Sie wussten beide, dass Shirkan der Einzige unter ihnen war, der Sahas
ungezügeltes Temperament, wenn es einmal ausbrach, stoppen konnte. Saha
verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Über ihr funkelte still und klar der
nächtliche Himmel. Der Wind pfiff leise. Er erfüllte mit seiner Melodie den
Wald, dann ebbte er ab und wurde eins mit den Zweigen der Bäume. Der Mond lugte
dahinter hervor und ließ mit seinem blassen Schein die Stämme der Bäume
deutlich hervortreten. Im feuchten Gras wuselte und bewegte es sich.
Uhura saß dösend in einem Baumloch.
Saha wusste, dass die Eule nicht schlief. „Was weißt du alles
über die fünffingrigen Oberflächenbewohner, Uhura?”, fragte sie leise, um die
Anderen nicht zu wecken.
Die Eule öffnete mit einem Ruck die großen, gelben Augen. Dann
ließ sie ein selbstbewusstes: „Huhu, Huhu!” ertönen und trippelte auf dem Ast
hin und her. Sie öffnete den Schnabel, als wolle sie etwas erwidern, schloss
ihn aber wieder und hüpfte auf den Ast, auf dem Saha saß.
„Zuerst muss ich dir sagen, dass die fünffingrigen
Oberflächenbewohner landläufig ‚Die Alten‘ hießen.” Uhura wippte mit dem Kopf.
„Sie waren Geschöpfe mit Armen und Beinen und einer Intelligenz, die sie bis
zum bitteren Ende nicht nutzbringend anwandten und die schließlich ihren
Untergang besiegelte. Sie hatten einen aufrechten Gang wie wir und bewohnten
zusammen mit vielen anderen Kreaturen die Erde. Sie nannten sich selbst
MENSCHEN. Und weil sie sich als Maß aller Dinge betrachteten, ging ihre Kultur
unter.”
„Das ist traurig”, wandte Saha ein.
„Traurig, aber notwendig. Hätte der Große Geist sie noch länger
gewähren lassen, wäre nicht nur die Erde in Gefahr gewesen, sondern auch andere
Welten. Unter anderem auch unsere.”
Saha riss die Augen auf. “Unsere auch?”, fragte sie ungläubig.
Uhura nickte. „Sie fingen an, sich auch den Himmel untertan zu
machen. Und das hätte verheerende Folgen gehabt. Sie kannten kein Maß und
litten an gnadenloser Selbstüberschätzung, dabei durften sie den schönsten
Planeten bewohnen. Sie begriffen nur nicht, dass sie wie all die anderen
Kreaturen nur Gast auf der Erde waren und spielten sich als Herrscher auf. Sie
beuteten den Planeten aus und zerstörten gedankenlos die Artenvielfalt.”
„Dann waren sie aber nicht besonders gescheit.” Saha kam alles,
was Uhura erzählt hatte, unsinnig vor. „Haben sie denn nicht aus ihren Fehlern
gelernt?”
In Uhuras klugen Augen blitzte es auf. „Das war die größte
Katastrophe. Sie haben eben NICHT aus ihren Fehlern gelernt. Ganz
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