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Regenbogen-Welt (German Edition)

Regenbogen-Welt (German Edition)

Titel: Regenbogen-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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wir
gehen zusammen.”
    Am frühen Morgen brachen sie auf. Saha gewohnt gesprächig,
Shirkan gewohnt schweigsam. Die Riesen-Ameise hing Erinnerungen nach. Sahas Vater
war sein bester Freund gewesen. Sein Tod hatte Shirkan tief getroffen. Umso
mehr, als Sahas Mutter ihrem Mann kurze Zeit später folgte. Von dem Zeitpunkt
an hatten Sahas Kinderaugen ständig an ihm gehangen. Sie hatte ihm alle Liebe
geschenkt, zu der ihr Kinderherz fähig war. Und Shirkan erwiderte dieses tiefe
Gefühl. Doch Saha konnte mitunter auch eine wahre Nervensäge sein. Das hatte
sich bis heute nicht geändert.
    „Findest du nicht auch, Shirky?”, fragte sie schmeichelnd in
seine Gedanken hinein.
    „Wie bitte?” Er sah sie verwirrt an.
    Ihr Lachen durchzog ihn hell. „Du hast mir wieder nicht
zugehört.” Sie versetzte ihm einen sanften Stoß. „Du bist und bleibst ein
unverbesserlicher Morgenmuffel.”
    Shirkan nahm lieber die unzutreffende Unterstellung hin, als Saha
einzugestehen, dass er an ihre Eltern gedacht hatte. Die Gottesanbeterin sprach
nicht gerne über sie.
    Sie erreichten den Baum, den Iman bewohnte. Der weiße Körper der
Riesen-Heuschrecke leuchtete schon von Weitem zwischen den Bäumen. Es war immer
wieder beeindruckend, Iman zu sehen.
    „Ich bekomme immer eine Gänsehaut, wenn ich sie sehe.” Sahas
Stimme sank zu einem tonlosen Flüstern herab. Offenkundig zollte sie der
Riesen-Heuschrecke ein hohes Maß an Respekt. Shirkan schüttelte verblüfft den
Kopf. Es erstaunte ihn, dass Saha auch einmal Ehrfurcht vor einem anderen
Lebewesen zeigte. Ich scheine doch nicht alles falsch gemacht zu haben, dachte
er, als ihm einfiel, wie schwer er sich getan hatte, die Erziehung ihrer Eltern
fortzusetzen. Und er hatte sich nur allzu oft den berechtigten Vorwurf gefallen
lassen müssen, Saha zu verwöhnen.
    Iman sah ihnen hoheitsvoll entgegen. Als Saha und Shirkan
nähertraten, neigte sie den Kopf und sagte. „Ich habe schon auf euch gewartet.”
Saha stieß einen hellen, erstaunten Laut aus. „Ihr brecht morgen auf?”, fragte
Iman weiter.
    Saha nickte, blieb aber, entgegen ihrer sonst so gesprächigen
Art, stumm. Daher hielt es Shirkan für angebracht, das Wort zu ergreifen. „Wir
sind gekommen, um dich zu bitten, uns zu begleiten, Iman”, sagte er demütig.
    Saha riss die Augen auf. Die Riesen-Ameise war sonst der Stolz in
Person. Aber in Imans Gegenwart schien selbst Shirkan zu schrumpfen.
    Iman deutete auf Saha. „Ich habe ihr schon gesagt, dass ich immer
bei euch sein werde. Immerhin habe ich ihr die Zauberpfeife gegeben.” Sie
blickte Saha lange an. „Ich habe noch etwas für dich.” Sie überreichte der
jungen Gottesanbeterin einen buntverzierten Beutel. Als Saha hastig danach
greifen wollte, um einen neugierigen Blick hineinzuwerfen, hielt Iman ihre
ausgestreckte Hand fest. „Halt! Öffne den Beutel erst, wenn der richtige
Zeitpunkt gekommen ist.” Sie fing Sahas fragenden Blick auf und lächelte. „Du
wirst wissen wann.”
     

     
    Auf dem Rückweg redete Saha ununterbrochen auf Shirkan ein, der
seinerseits wieder sehr wortkarg war. Er hörte nicht auf, sich zu fragen, warum
Iman ausgerechnet der jungen und unerfahrenen Gottesanbeterin die magischen
Utensilien gegeben hatte. War Saha etwas Besonderes? Wusste Iman etwas, was sie
ihnen allen verschwieg? Und wenn, was war es?
    Viele Fragen, dachte Shirkan bekümmert, und keine Antworten. Er
hob die Augen zum Himmel. Die Mittagssonne schien warm und freundlich auf sie
herab. Wie alle Insekten fühlte sich Saha im Gegensatz zu Shirkan vom Licht
angezogen. Sie orientierte sich nach den natürlichen Lichtquellen Sonne und
Mond. Und bewegte sich immer so, dass zumindest ein großer Teil ihres Körpers
der Sonne ausgesetzt war. Sie ließ sich von den Sonnenstrahlen wie von einer
Art Kompass leiten. Und sie hatte noch eine Eigenart: Sie konnte wie eine
Grille singen. Shirkan behauptete immer wohlwollend, dass, wenn reines
Quellwasser singen könne, es genauso klänge. So glockenhell und klar. Saha
hingegen hatte sich in der letzten Zeit immer häufiger gefragt, welcher ihr
Platz im Universum war? Was war ihre Bestimmung?
    Aber nicht nur Fragen quälten sie.
    In ihr war plötzlich spiritueller Hunger. Hunger, den Iman durch
ihre magischen Geschenke genährt hatte. Viele Monde lang hatte Saha wieder
diese Unruhe in sich gespürt und als sie Imans Geschenke erhalten hatte, war
die innere Anspannung ausgeufert. Saha fühlte plötzlich eine zweite
Persönlichkeit in sich.

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