Regenbogen-Welt (German Edition)
andere. Es schlug zwar für viele.
Aber außer Ishtar, Shirkan und Barb nahm nur Tuc ein großes Stück davon ein.
Darum hoffte sie inständig, er würde ein Weibchen in den vier Welten über ihnen
finden, um seine Art zu erhalten. Denn Tuc mochte auch noch so klein sein, die
Welt würde ärmer ohne seine Rasse werden.
Viel ärmer.
Hazee hatte sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt. Der Schalk
stand zwar immer noch deutlich in ihren Augen, aber sie ging wieder artig neben
ihren Freunden her. Saha schmunzelte. Sie wusste, dass das dem
Eichhörnchen-Mädchen mehr als schwerfiel. Doch es half nichts, wenn sie die
Fünfte Welt jemals erreichen wollten, mussten sie Disziplin üben. Saha wusste,
dass das Wort negativ behaftet war. Doch für sie bedeutete es, sich Grenzen zu
setzen und sich auch daran zu halten.
Und das war nötig, um ihr Ziel zu erreichen.
Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, würde es ihr nicht immer
leicht fallen. Denn Saha war sonst kein Wesen, das sich lange für ein und
dasselbe begeistern konnte. Dinge, mit denen sie sich beschäftigte, und
Freunde, mit denen sie sich umgab, wurden ihr rasch langweilig. Auch das lag in
ihrer Natur. Dabei wollte sie niemanden verletzen. Der Wunsch nach ständigem
Wandel entsprang ihrer Intelligenz und dem Bestreben nach stetiger
Weiterentwicklung. Saha hasste Stagnation. Sie wollte nicht auf der Stelle
treten, wollte nicht in und an Normen ersticken. Nicht einmal wenn es
selbstgesteckte waren. Das erklärte vielleicht auch ihre Launenhaftigkeit. Sie
konnte sich heute für etwas begeistern, was sie am nächsten Tag schon zu Tode
langweilte. Allein aus der Tatsache heraus, dass sie es schon kannte. Dass es
nicht mehr neu für sie war.
Die Welt um sie herum veränderte sich erneut. Die Farbpalette
wechselte. Das Grün, das die Erste Welt bestimmte, wurde immer heller und trug
einen deutlichen Blaustich in sich. Auch die Witterung veränderte sich. Das
Sonnenlicht wurde wärmer, während der Mond ihnen sein Gesicht immer kühler
zuwandte. Die Freunde hatten die erste Enttäuschung erlebt, denn Ishtar war
unverrichteter Dinge zurückgekehrt. Er hatte die Himmelsranke nicht gefunden.
„Da hilft nur eins”, sagte er außer Atem. „Wir müssen auf gut
Glück weitergehen.”
Die Unruhe in Saha erwachte wieder. Und das andere Wesen in ihr.
Barb bemerkte den Zwiespalt, der die Freundin befallen hatte, als Einzige.
„Was ist los mit dir?”, wisperte sie, nur für Saha verständlich.
Die Gottesanbeterin sah sie ernst an. „In mir ist so viel Unruhe,
Barb.” Barbs Gesicht verzog sich amüsiert. „Das ist doch keine Neuigkeit. Du
bist schon immer ein unruhiger Geist gewesen.”
Saha wedelte ungeduldig mit den Chitinarmen. „Das meine ich
nicht. Du hast Recht, aber sonst ist meine Unruhe mehr von außen bestimmt.
Dennoch kommt sie aus mir selbst. Sie wird von mir gesteuert. Jetzt aber ...”
„Jetzt aber wirst du fremdgesteuert”, fügte Barb sanft hinzu.
„Oder du fühlst dich zumindest so.”
Saha stieß einen erleichterten und auch ein wenig erstaunten Laut
aus. „Du verstehst es wirklich, nicht wahr?”
Barb nickte. „Ja ... weil es mir ebenso geht!”
Saha benötigte einige Zeit, um Barbs letzten Satz zu verarbeiten.
Und es machte sie glücklich, dass die Freundin wieder einmal gleich empfand.
Sie hörte das sanfte Schlagen der zarten Flügel neben sich und lächelte still
in sich hinein. Es war ein schönes Gefühl, Barb an ihrer Seite zu wissen.
Die Sonne strahlte einladend und vergoldete Sahas Gesicht. Sie
dachte an ihren Vater, den sie sehr geliebt hatte. Er hatte sie immer ermahnt:
„Folge nie dem vorgegebenen Pfad, sondern geh‘ deinen eigenen Weg!”
Jetzt war sie auf IHREM Weg, aber er konnte es nicht mehr
miterleben. Das stimmte sie traurig.
Tagelang zogen sie weiter, ohne dass sich etwas veränderte, sich
etwas ereignete. Einzig die Farbe des Himmels wechselte. Er verlor immer mehr
an Grün. In sich gekehrt bewegten sich die Freunde hintereinander her. Sprachen
kein Wort, bis Hazees spitzer Schrei Sahas Gedanken durchbrach. Erschrocken
fuhren sie und Barb herum. Und dann sahen auch sie den Grund, warum das
Eichhörnchen so aufgeregt war: Da war die Ranke, die sich bis in die Zweite
Welt hinaufschlängelte.
Staunend blieben sie am Fuße der mysteriösen Pflanze stehen. „Es
gibt sie also wirklich”, entfuhr es Jabani. Sie flatterte auf den ersten
Blattstängel der Ranke, schlug eine Rolle rückwärts und
Weitere Kostenlose Bücher