Regenbogen-Welt (German Edition)
brachte
kein Wort heraus.
Iktomi kroch näher. Ihr Gesichtsausdruck versprach nichts Gutes.
„Na, wer will der Erste sein? Ich habe lange nichts mehr gegessen.”
Saha blickte sich nach Shash um. Für den Bär musste es ein
Leichtes sein, die Spinne zu zermalmen. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab.
Ihr Blick fiel auf den Kristall in Barbs Händen. Barb bemerkte es – und
verstand. Ihr Gesicht erhellte sich. Iktomi schien zu ahnen, was auf sie zukam.
Sie schrie schrill auf und wollte sich blitzschnell den Faden, an dem sie sich
herabgelassen hatte, hinaufbewegen. Aber es war schon zu spät. Barb legte all
ihre Kraft in den Wurf und schleuderte den Kristall in die Richtung der Spinne.
Er verfehlte sein Ziel nicht. Wieder ertönte ein schriller Schrei. Es zischte.
Nebel kam auf. Wieder ein Zischen, und plötzlich gab es einen furchtbaren
Knall.
Es war wie der Zauber eines großen Magiers. Nach dem Knall verzog
sich langsam der Nebel, und da waren keine einengenden Wände mehr. Kein
Labyrinth, das sie gefangen hielt, und auch Iktomi war verschwunden.
„Wow!”, brüllte Dahsani und legte all seine Erleichterung in
seine Stimme.
Niemand antwortete. Bei Maiitsoh löste sich die Verkrampfung
zuerst. Er winkte herrisch und gab Barb und Ishtar ein Zeichen. “Wir sollten
besser weitergehen”, schlug er vor und sah sich nach Uhura um. „Weißt du, in
welche Richtung?”
Die Eule, die sonst immer Rat wusste, zuckte mit den Flügeln. So
übernahm Maiitsoh wieder die Führung. Auch wenn ihm in dem Augenblick nicht
danach war. Sie gingen einfach los. Mehr blieb ihnen auch nicht übrig. Sie
wussten ohnehin nicht, wohin. Hatten längst den Überblick verloren. Und einen
großen Teil ihrer Illusionen.
Bis zu dem Zeitpunkt, als sie ein steinernes Monument sahen, das
der Regenbogen-Brücke verblüffend ähnelte.
Und da meldete sich Uhura wieder zu Wort. „Wir sind auf dem
richtigen Weg”, entfuhr es ihr erleichtert. „Das ist der Navajo Arch. Wenn wir
ihn überqueren, werden wir den Pfad des Lebens finden.” Leiser fügte sie hinzu.
„Wir müssen ihn einfach finden.”
Nach einem Tagesmarsch kamen sie dem Navajo Arch, einem
beeindruckenden Naturbogen, näher. Doch ihre Kräfte reichten nicht mehr, ihn zu
überqueren. Selbst Shash hatte merklich an Gewicht verloren. Zudem dunkelte es
bereits, und es wäre zu gefährlich gewesen. Dahsani atmete erleichtert auf, als
Maiitsoh vorschlug, ein Nachtlager aufzuschlagen. Das Stachelschwein dachte
daran, wie leicht man in der Dunkelheit einen falschen Schritt machen und
unweigerlich in die Tiefe stürzen konnte. Dahsani schauderte bei dem Gedanken
und legte sich im Schutz eines Dornenbuschs zum Schlafen nieder.
Maiitsoh saß lange regungslos da. Beobachtete die schlafenden
Gestalten. Sein Blick blieb an Barbs mondbeschienenem Gesicht hängen und etwas
zog sich in seiner Magengrube zusammen. Er erhob sich und ging wortlos davon.
Lief unter Bäumen, deren herunterhängende Zweige sein Gesicht zerkratzten,
entlang. Er beachtete es nicht. Nahm es nicht einmal wahr. Maiitsoh atmete
gierig ein. Das schimmernde Antlitz des Mondes erhob sich am Himmel. Maiitsoh
fühlte, wie sich jedes Haar an seinem Körper sträubte. Der Mond kletterte höher
an den Nachthimmel und Maiitsoh näherte sich einer Gestalt, die seiner ähnlich
sah. Einer Gestalt, die ihm den Kopf zuwandte. Zwei gelbe Augen versanken in
ein Zwillingspaar. Da war sofortiges Verstehen. Wiederkennen und
Seelenverwandtschaft.
Sie wurden eins.
Der Coyote begrüßte ihn. Der listige Beutemacher und Meister der
Täuschungsmanöver hatte auf ihn gewartet. Ein Leben lang. Das wurde Maiitsoh
klar.
Coyote war ein Skinwalker – ein Wesen der Nacht. Ihn zu sehen war
ein Zeichen nahenden Unglücks. Ein Trugbild. Er heulte wie Maiitsoh den
Vollmond an. War eine unberechenbare Figur: schlau, verhasst und
allgegenwärtig. Und er war ein Teil von Maiitsoh. War schon immer in ihm. Doch
der Große Wolf hatte den dunklen Bruder – die dunkle Seite in sich – immer
niedergekämpft. Aber jetzt brach sie heraus: lasterhaft, smart und
leidenschaftlich. Kannte keine Tabus. Coyote verschmolz mit Maiitsoh. Wurde
eine Einheit, und als er Maiitsoh verließ, war auch der Große Wolf ein Skinwalker.
Seine Seele war halb Wolf, halb Mensch. Und sein alleiniges Denken galt: BARB.
Barb erwachte abrupt und erhob sich. Verließ unbemerkt den
Schlafplatz. Getrieben von Unruhe. Sanft umschmeichelt vom Mondlicht, ging sie
los. Der laue
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