Regenbogen-Welt (German Edition)

durchsichtig, es war schwarz. Als hielte es all das Gift des Wassers oder
das Böse der Welt in sich gefangen. Sie wollte etwas sagen. Der mystischen
Gestalt danken.
    Aber in Biihs Augen stand bereits wieder ein Gruß des Abschieds.
Er wandte sich zur Seite, und Saha meinte ein „Ihr könnt jetzt von dem Wasser
des Lebens trinken. Das Glück sei mit euch.” zu hören. Dann drehte sich Biih
gänzlich herum, und die Kontur seiner Gestalt verzerrte sich. Verlor an
Substanz und löste sich auf.
    Alles hatte nicht länger als einige Minuten gedauert. Saha fragte
sich, ob sie es nur geträumt hatte oder ob es tatsächlich geschehen war.
Lachend und glücklich, nun doch am Ziel ihrer Reise angekommen zu sein, dachte
sie nicht lange darüber nach. Sie gab den Freunden ein Zeichen, und sie beugten
sich tief über die Quelle. Tranken von dem kristallklaren Wasser, von dem eine
ungeheure Vitalität ausging. Mehr noch. Es hüllte sie ein. Floss nicht nur in
ihre Mägen, sondern stieg auch in dunstigen Schwaden in die Wolken auf. Ein
Brausen – hervorgerufen durch Schwingen – nährte die Luft. Vögel erfüllten sie
plötzlich. Hunderte, tausende, abertausende. Sie stiegen auf und trugen die
Farben des Regenbogens in den Himmel. Inmitten der lebendigen Pracht wurde ein
Licht sichtbar. Ein Licht, das die Freunde magisch anzog. Sich ausbreitete. Sie
umschmeichelte. Das Saha, Barb und Ishtar umgarnte, sich wie ein Mantel über
sie breitete und sie mit sich fortnahm.
    War das der göttliche Funke, von dem Uhura und Kasur immer
gesprochen hatten und der zum Menschsein fehlte?
    Saha spürte, wie etwas Warmes und Allesbestimmendes in ihren
neuen Körper floss. Sie zu einem Wesen machte.
    „Dineh!”, wisperte der Wind, der sie forttrug. „Dineh!”
    Und Barb musste Saha nicht erst sagen, dass dieses Wort MENSCH
bedeutete. Sie wusste es einfach. Und sah alles klar.
    Die erste Rasse hatte sich selbst vernichtet. Sich und alles
Leben auf der Erde. Nur das Insektenvolk hatte dem Untergang getrotzt. Aus ihm
war die Gottesanbeterin Saha hervorgegangen. Die Auserkorene einer zweiten
Chance. Einer neuen Rasse. Ihr zur Seite standen Ishtar und Barb, mit ihrem
ungeborenen Sohn. Sie alle vier verkörperten die beiden Rassen, die, in Respekt
vereint, die Neue Welt bevölkern sollten. Sie waren die Begründer des weißen
und roten Volkes.
    Und somit ein Teil des Lebenskreislaufes.
    Der hatte auf der Erde begonnen. Hatte mit deren Untergang
geendet und in der Regenbogen-Welt seine Fortsetzung gefunden. Nun schloss sich
dieser Kreis wieder. Sie waren Erste Frau und Erster Mann der neuen, in tiefer
Freundschaft verbundenen Rassen. In wirklicher Harmonie vereinter Völker. Aber
erst, als Sahas und Barbs Beziehung zu der Sonne und den Gestirnen wahre
Ausgewogenheit erreichte, begann die Vollendung ihres Menschseins. Sie
unterwarfen sich demütig dem alten, universalen Grundmuster: Nacht und Tag,
Sommer und Winter, Sterblichem und Übernatürlichem und Himmel und Erde.
Letztere hofften sie bald ihre Heimat zu nennen. Und das war mehr als denkbar.
    Denn sie waren versehen mit Imans Segen.
    Iman, die schon immer die göttlichen Seiten der beiden Völker in
sich vereint hatte, war zu ihnen zurückgekehrt. Über ihr war nur noch der Große
Geist, der das Universum geschaffen hatte.
    Iman, das lichterfüllte Wesen, begann zu sprechen. Ihre Stimme
klang wie Sphärenmusik aus dem Jenseits.
    „Folgt Bilagaana und dem Großen Geist”, hörten sie Iman flüstern.
„Sie werden euch leiten. Es ist Zeit, euch endgültig zu wandeln. Das
Urgeschlecht der neuen Rasse zu werden. Es ist die einmalige Möglichkeit, ein
nutzbringender Teil des Universums zu werden. Bisher habt ihr nur in dem Reich
der Wolken gelebt. Es wird Zeit, hinabzusteigen.” Die helle Lichtgestalt
lächelte sie verheißungsvoll an. „Folgt dem Regenbogen, denn er bedeutet
Hoffnung. Er ist die Brücke zwischen Himmel und Erde. Sucht den Ort, an dem er
die Erde berührt. Dort ist eure neue Heimat: Der blaue Planet.”
     

     
    Quellennachweis:
    „Auf dem Weg des Regenbogens“, Paul G.Zolbrod, Das Buch vom
Ursprung der Navajos, Diederichs bei Heyne
    „Der Pfad der Kraft“ & „Leben mit der Kraft“, SUN BEAR,
Goldmann
     

 
DIE AUTORIN
     
    Autorin, Agentin,
Herausgeberin, Redakteurin, Journalistin, Rezensentin
     
    Alisha Bionda wurde in Düsseldorf geboren und lebt seit 1999 auf
den Balearen. Die Autorin beendet ihren Tagesablauf nachts am Meer – bis zum
23.05.2009 mit ihrer