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Regenbogen-Welt (German Edition)

Regenbogen-Welt (German Edition)

Titel: Regenbogen-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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stutzig. Sie verbirgt
etwas, durchfuhr es sie. Der Gedanke weckte erneut ihr Misstrauen gegen die
Spinnen-Frau. Aber sie folgte ihr und den Anderen widerspruchslos. Die Stadt
nahm sie ohnehin gefangen. Vergessen war die innere Stimme und auch das
Misstrauen gegenüber Azaa.
    Sie verließen die Stadt, an deren Stadtmauer ein schauriger Ort
grenzte. Erst dachte Saha, dass es sich um einen Friedhof handele, dann aber
sah sie, dass es eine Ansammlung hoher, schlanker Totempfähle war. Bemalte, mit
kunstvollen Schnitzarbeiten versehene Pfähle, die wie hölzerne Lebewesen mit
bemalten Gesichtern wirkten. Der Wind wisperte leise. Es hörte sich an, als
hielten die Totemsäulen Rat miteinander ab.
    Binnen Sekunden nahm das Szenario Saha und ihre Freunde gefangen.
Azaa lief furchtlos Slalom durch die Pfahl-Reihen. Ishtar flog zusammen mit
Uhura darüber hinweg. Saha hatte ihn noch nie so aufgeregt gesehen. Shirkan und
Hazee kletterten einen Pfahl hinauf und betrachteten alles aus luftiger Höhe. Jabani
hing in Sekundenschnelle kopfüber an einem besonders kunstvollen Pfahl. Die
Fledermaus sah es wieder pragmatisch. Nutzte die Gunst der Stunde, um ein
kleines Nickerchen zu machen. Saha fragte sich, woher Jabani die Ruhe nahm. Die
Ruhe und innere Gelassenheit. Shash, mit Tuc auf dem Kopf, erhob sich wieder
einmal eindrucksvoll auf die Hintertatzen und witterte unruhig in der Luft.
Seine schwarze Nase bewegte sich dabei eifrig hin und her. Biih stand
regungslos neben ihm. Nicht einmal seine Wimpern bewegten sich. Völlig
erstarrt, registrierte er nicht, dass India und Davina herbeiflatterten und auf
seinem Geweih Platz nahmen.
    Barbs Stimme holte Saha aus ihrer Gedankenwelt zurück. „Die
Pfähle sind wunderschön. Erstklassige Arbeit”, lobte sie die unheimlichen
Dinger.
    „Ich finde, die sehen ziemlich morbid aus”, hielt ihr Saha
entgegen.
    „Nein”, widersprach Barb, „sie sind phantastisch.”
    „Von mir aus”, gab Saha  nach.
    „Los, sehen wir sie uns genauer an”, forderte Barb sie auf und
war auch schon auf dem Weg zu dem Totem, an dem Jabani hing. Saha blieb nichts
anderes übrig, als der Freundin zu folgen. Ihre Unterlippe klappte herab, als
sie den Pfahl näher betrachtete. In seinen leuchtend bronzefarbenen Augen war
eindeutig Leben. Das konnte nicht sein. Das war unmöglich. Aber eine Stadt in
einer Muschel tief auf dem Grund des Ozeans hätte Saha zuvor auch für reine
Fiktion gehalten. Für eine der spannenden Geschichten, die Shirkan ihr immer
als Kind erzählt hatte. Barb erreichte den Pfahl und flatterte vor dessen gespenstisch
echt wirkendem Holzgesicht herum. Hektisch betastete sie mit ihren
feingliedrigen Händen Augen, Nase und Mund des Pfahles. „Er sieht so ... so
echt aus”, murmelte sie fasziniert.
    „Komm bitte zurück”, bat Saha mit einer Stimme, die nicht mehr ihr
zu gehören schien.
    „Warte, nur einen Augenblick”, lautete die zögerliche Antwort.
    „Barb!” In Sahas Stimme schwang etwas, das Barb veranlasste, sich
herumzudrehen und, als sie die Angst in den Augen der Freundin sah, zu ihr
zurückzukommen. „Sieh ihn dir genau an, Barb!”, forderte Saha sie auf.
    Barb folgte der Aufforderung. Stumm und dann immer beeindruckter.
Dann entfuhr ihr nach einer Weile ein aufgeregtes: „Der sieht nicht nur echt
aus. Er ist es auch!”
    „Barb!”, rief Saha vorwurfsvoll. „Rede keinen Blödsinn.”
    „Das ist kein Blödsinn.” Da war wieder die Erregung in Barbs
Stimme, die immer darin schwang, wenn irgendetwas ihre ungeteilte
Aufmerksamkeit forderte. Ihre Aufmerksamkeit und ihre schier unendliche
Phantasie. „Sieh dir die Augen an. In ihnen steckt eindeutig Leben.”
    „Das dachte ich auch. Aber das kann nicht sein”, flüsterte Saha
aufgeregt.
    „Was kann nicht sein?”, ertönte Azaas atemlose Stimme. Sie war
immer noch unruhig. Elektrisiert. Sie fühlte, nein, sie wusste, dass in den
hölzernen Pfählen unsterbliche Seelen steckten. Das alte Wissen in ihr, das
lange – allzu lange – geschlummert hatte, brach mit aller Macht in ihr hervor.
Öffnete sich wie die Blüte einer Rose und förderte den Kern zu Azaas Innerem,
ihre eigentlichen Bestimmung, zutage. Jeder ihrer Lebensabschnitte hatte bisher
eine besondere Bestimmung gehabt. 
    So auch dieser?
    Azaa war – wie Saha schon vermutet hatte – nicht aus dieser Welt.
Sie war eines der Wesen der untergegangenen Erde. Und sie hatte – wie Saha
ebenfalls ahnte – ein Geheimnis. Ein dunkles Geheimnis. So dunkel wie

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