Regenbogen-Welt (German Edition)
auf. Sie konnten durch
die Öffnung die Stadt sehen, von der die Toten gesprochen hatten. Saha
überlegte nicht lange. Die Wasserwand wogte immer bedrohlicher auf sie zu. Es
gab keine reelle Wahl, was sie tun konnten, um der tödlichen Gefahr zu
entrinnen.
Es gab nur einen Ausweg.
Saha holte einige Male tief Luft und stieg todesmutig durch das
Loch im Wasser. Dabei klapperten ihre Zähne heftig aufeinander. Das Wasser war
eiskalt. Saha blieb beinahe das Herz stehen. Theehooltsodii wartete schon auf
sie. Ihre flüssigen Finger griffen nach den Freunden, die Saha wie hypnotisiert
gefolgt waren.
Saha spürte das Große Wasserwesen um sich und in sich. Die
riesige Wasserwoge riss sie nun doch mit sich. Verzweifelt versuchte sich Saha
wieder an die Oberfläche zu bringen. Aber es gelang ihr nicht. Sie wurde
unbarmherzig von unsichtbaren Händen gepackt und mit ohrenbetäubendem Getöse
bis auf den Grund des Meeres gezogen. Wieso ersticke ich nicht, schoss es ihr
durch den Kopf.
Dann sah sie die Stadt.
Sie erhob sich wie eine Perle in einer gigantischen, weißen,
geöffneten Muschel, die sich, nachdem Saha und ihre Freunde langsam hinab
geglitten waren, im Zeitlupentempo über ihnen schloss. Es war wie in einem
verwunschenen Märchen.
Sie blickten sich alle an. Mit vor Erstaunen geöffneten Augen.
Die befürchtete Dunkelheit trat nicht ein. Saha ergriff Ishtars Hand und
blickte Barb an. Die stand mit aufgerissenem Mund neben ihnen und starrte die
perlmuttweiß schimmernden Wände an, von denen ein strahlendes Licht ausging,
das die Umgebung erhellte. Die Stadt erhob sich auf einer kleinen Insel in dem
Inneren der Muschel, umgeben von seichtem Wasser, durch das Saha und ihre
Freunde mühelos waten konnten. Das Stadttor kam ihnen irgendwie bekannt vor. Es
wurde von zwei hohen Säulen eingerahmt, auf denen sonderbare Figuren standen.
Kasur sprach das aus, was Saha dachte, aber nicht auszusprechen
wagte. „Das erinnert mich alles an die Drachenstadt und, ehrlich gesagt,
gefällt mir das ganz und gar nicht.”
„Aber dort wirkte alles bedrohlich“, warf Hazee kein bisschen
kleinlaut ein. „Auch wenn nicht viel von der Stadt übrig geblieben ist. Und
hier ...” Sie sah sich um. „Hier sieht alles leuchtend und einladend aus.”
„Der Schein trügt manchmal”, wies Uhura sie ruhig zurecht.
„Weißt du etwas über die Stadt?”, wollte Shash aufgeregt wissen.
Es sah so aus, als wolle die Eule mit dem Kopf nicken, dann
überlegte sie es sich aber und schüttelte ihn. „Nein ... zumindest nichts
Wesentliches.”
Sie gingen durch das Stadttor. Stumm und beeindruckt. Marschierten
im Gänsemarsch. Einer nach dem anderen. Saha hatte nie so viel Schönheit an
einem Ort gesehen. Und auch hier waren menschenähnliche Lebewesen. Sie wirkten
nur nicht real. Irgendwie durchsichtig. Wie helle Schatten oder Lichtgestalten.
Frieden und Zufriedenheit ging von ihnen aus. Und ein Leuchten, das auf die
Freunde überging. Den Seelenballast von ihnen nahm. Das Gefühl tat gut. Es
lullte sie ein. Machte sie glücklich. Es war wie eine Droge, die süchtig
machte. Und darin bestand die Gefahr. Es machte sie phlegmatisch und
desinteressiert. Sie trieben dahin, in einem trägen Strom der Zeit. Sahen die
hellen Gebäude, die mystischen Schlingpflanzen und überall das
perlmuttschimmernde Licht. Das aber dann irgendwann in ihren Augen schmerzte.
Das sie verfolgte und sie nicht ruhen ließ. Überall, wo sie hinsahen, dieses
Licht. Dieses gleißende Licht.
„Kein Wunder, dass man verrückt wird, wenn man ständigem Licht
ausgesetzt wird”, entfuhr es Shirkan.
„Allerdings!” Saha blinzelte ihn an. Auch ihre Augen hatten sich
noch nicht an die extreme Helligkeit gewöhnt. Tränen brannten darin und liefen
ihre Wangen hinab. Saha wischte sie mit einem Ruck fort und konzentrierte sich
auf das Geräusch, das sie ständig begleitete. Es war das Tosen des Ozeans, der
die Muschel umspülte.
Geh und suche Yoolgai , zischte es plötzlich in ihr. Die
Worte waren da. Schwebten in ihren Gedanken, waren aber auch in ihrem Herzen.
Saha fragte sich beunruhigt, woher sie kamen. Wer sie ihr einflüsterte. Aber
wer war Yoolgai? Geh und suche sie! , kam ein neuerlicher Befehl. Saha
runzelte unwillig die Stirn.
Azaas Stimme durchbrach ihre Gedanken. „Wenn wir schon einmal
hier sind, können wir uns die Stadt auch ansehen. Irgendeinen Grund muss es
doch haben, dass wir hier unten gelandet sind.”
Das Flackern in Azaas Augen machte Saha
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