Regenbogen-Welt (German Edition)
plötzlich. Dicke, schiefergraue
Wolken jagten über sie hinweg. Die Freunde hatten nicht mehr die Gelegenheit,
in Deckung zu gehen. Ein Brausen erklang und in den Wolken bildete sich
blitzschnell ein großes Loch, in dem Gesichter auftauchten. Es waren Gesichter
von Wesen, die Saha noch nie gesehen hatte.
„Huch, die sehen ja gruselig aus.” Hazee blickte Jabani an. „Die
sind fast noch hässlicher als du.”
Die Fledermaus zeigte keine Reaktion. Sie war es gewöhnt, dass
man sie wegen ihres nicht gerade attraktiven Äußeren aufzog.
Die Wesen quetschten sich durch das Loch im Himmel und schoben
dabei die Wolken auseinander. Uhura stieß einen beinahe hasserfüllten Laut aus.
„Das sind Oberflächenbewohner!”
Saha und Barb fuhren wie von der Tarantel gestochen herum. „Aber
die sind doch alle umgekommen, als die Erde unterging”, entfuhr es Barb.
„Sind sie auch”, erwiderte Uhura tonlos. Jegliche Farbe war aus
ihrem Gesicht gewichen. „Sie kommen aus dem Totenreich.”
„So sehen sie auch aus”, zischte Kasur und schüttelte ihren
langen Körper. „Grauenhaft!”
„Mich würde interessieren, was sie von uns wollen.” Shirkans
Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
„Fragen wir sie doch einfach”, schlug Shash vor. Er baute sich in
voller Größe auf. Aufrecht, auf seinen Hintertatzen, gab er ein beeindruckendes
Bild ab. „Was wollt ihr, und vor allen Dingen: Wer seid ihr?”, fragte er
drohend.
„Wir kommen aus dem Totenreich.”
„Dachte ich es mir”, zischte Uhura erregt.
„Still”, brachte Azaa sie zum Schweigen. Sie reagierte ebenso
nervös auf die toten Oberflächenbewohner wie Uhura. Saha fragte sich nicht zum
ersten Mal, ob Azaa nicht selbst von der Erde stammte. Aber warum auch Uhura
derart die Fassung verlor, entzog sich ihrer Vorstellungskraft.
„Ihr kommt also aus dem Totenreich“, wiederholte Shash. „Und was
wollt ihr von uns?”
„Wir wollen euch warnen!” Drei Gestalten lösten sich aus der
Gruppe. „Ihr seid die ehemaligen Oberflächenbewohner?” Uhura plusterte sich
auf. Die Anspannung in ihrem Gesicht löste sich, jetzt, nachdem sie die alles
entscheidende Frage gestellt hatte.
„So nennt ihr uns”, sagte ein Mann mit groben Gesichtszügen, die
durch das unnatürliche Weiß der Totenblässe noch abstoßender wirkten. „Wir
hingegen nennen uns MENSCHEN.”
„Dachte ich es mir.” Uhura sah aus, als ob sie auf der Stelle
ohnmächtig würde. „Und wovor wollt ihr uns warnen?”
„Ihr dürft nicht denselben Fehler machen wie die Anderen!” Die
Stimme des Mannes klang unendlich traurig.
Es hat also tatsächlich andere Wesen gegeben, die den Weg bis hierhin
geschafft haben, dachte Saha, und Erregung packte sie.
„Und nicht dieselben wie wir”, fuhr der Mann fort. „Ihr müsst die
Welt und die Mutter Erde heilen, indem ihr euer Land liebt. Es wirklich liebt.
Denn aus Mangel an Liebe starb die alte Welt. Lernt daraus, sonst ist das Leben
auf ihr umsonst untergegangen. Kehrt demütig auf die Erde zurück und liebt sie
und die anderen Wesen, die mit euch auf ihr leben werden. Baut eine demütige
Beziehung zur Natur auf.” Er legte eine kleine Pause ein, bevor er weiter
sprach. „Wenn ihr den Atem des Großen Geistes spürt, wisst ihr, dass es soweit
ist. Der neue Mensch wird seine zweite Chance zu nutzen wissen. So hoffen wir.
Aber ihr müsst erst die versunkene Stadt aufsuchen.”
Saha blickte in den dunstigen, eierschalenfarbenen Himmel. „Warum
kommt ihr nicht näher, damit wir euch besser sehen können?”, fragte sie. Sie
hatte einen Moment lang den Eindruck, als wollten die Menschen aus dem
Totenreich tatsächlich herabschweben, aber dann besannen sie sich eines
Besseren und verblieben in den Wolken.
„Warum zögert ihr?”, wollte Saha enttäuscht wissen.
„Niemand wagt es, uns anzusehen”, klagte eine untersetzte Frau.
„Warum?” Ishtar drängte sich an Saha vorbei.
„Ich weiß es nicht. Es heißt, es hätte einmal ein Volk gegeben,
das eine von uns angesehen hat, und sie wären danach alle gestorben. Seither
wagt niemand mehr, uns ins Gesicht zu sehen.”
„Na, das sind ja tolle Aussichten.” Barb schüttelte den Kopf.
„Habt keine Angst! Es ist nicht nötig, dass wir uns nähern. Wir
haben euch alles gesagt, worauf es ankommt. Beherzigt unsere Worte!”
Saha hob den Arm, als wolle sie die Gestalten am Himmel daran
hindern zu verblassen. Aber die Wolken schoben sich vor die Erscheinungen,
hüllten die Vision ein und
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