Regenbogen-Welt (German Edition)
Rein gar nichts. Dabei war er ein
besinnliches Wesen. Selten angriffslustig, mit einem riesengroßen Herzen.
Saha dachte wieder an die Mustangs. Ihre Wildheit und ihr
ungezügelter Stolz ließen sie gedanklich nicht mehr los. Sie sah sie vor sich.
Wie sie mit wehenden Mähnen im stürmischen Galopp durch das Gehege preschten.
Kasur hatte ihnen mehr über die Pferde erzählt. Dass diese zwar klein, aber oho
waren. Hohe Widerstandsfähigkeit gegen Strapazen zeichnete sie aus. Weder
brütende Hitze noch klirrende Kälte konnten den Mustangs etwas anhaben. Sie
waren schnell, drahtig und zäh. Das alles waren Eigenschaften, die Saha
schätzte. Die ihr Respekt abnötigten. Auch wenn es sie nun doch traurig
stimmte, dass den herrlichen Tieren die Freiheit geraubt worden war, fragte sie
sich, was es für ein Gefühl sein mochte, auf dem Rücken eines der herrlichen
Geschöpfe über die Prärie zu galoppieren.
„Lasst uns zu meinem Vater gehen”, fuhr Winterdonners Stimme
messerscharf durch ihre Gedanken.
„Dein Vater?”, rief Barb erstaunt. Maiitsoh knurrte verunsichert.
„Wie ist das möglich?”, wollte auch Shash wissen. „Den haben wir
vor vier Tagesmärschen dort zurückgelassen ...” Er deutete in die ungefähre
Richtung, aus der sie gekommen waren. „Wie sollte er in der Zwischenzeit hier
in das Dorf gelangt sein? Er ist ein alter, gebrechlicher Mann.”
Winterdonner lächelte arrogant. „Er hat genug Möglichkeiten!”,
sagte er überheblich. „Und nun folgt mir!”
Tatsächlich befand sich Hiawatha bereits in dem kleinen Dorf.
Aber Saha und ihre Freunde bekamen ihn an dem Tag nicht mehr zu sehen. Trotzdem
spürten sie seine Anwesenheit, und das wiederum erstaunte sie. Weil es
ungewohnt und irgendwie auch beunruhigend war. Saha, Ishtar und Barb lösten
sich von der Gruppe und setzten sich auf einer sanften Anhöhe nieder. Stumm
betrachteten sie von dort aus das Dorfleben. Eine Gruppe junger Krieger baute
ein Zelt, einen Wigwam, auf. Sie schleppten, begleitet von fröhlichen Gesängen,
Pfähle herbei, schnitten sie mit ihren scharfen Jagdmessern auf gleiche Länge
und verankerten sie im Boden. Einige Minuten standen sie wild
durcheinanderschwatzend da und betrachteten zufrieden ihr Werk. Dann bogen sie
die Pfähle zu einer Kuppel zusammen und befestigten letztendlich einen festen
Stoff an der Konstruktion. Unter Beifall und Gelächter betrachteten sie erneut
das Zeltgerüst.
„So einfach ist das”, entfuhr es Saha.
„Ich hätte auch gedacht, dass es komplizierter ist”, gestand
Ishtar. Saha betrachtete ihn wohlgefällig. Er hatte sich bisher immer im
Hintergrund gehalten, hatte sie unterstützt und seine klugen Kommentare nur
dann eingestreut, wenn es angebracht war. Er bewegte sich immer noch mit
traumwandlerischer Sicherheit neben ihr. Hatte immer noch die Wendigkeit der
einstigen Königs-Libelle, wenngleich nur noch gewisse Züge seines Gesichtes und
die verkümmerten Flügel, die schlaff an seinem Rücken herabhingen, daran
erinnerten, was er einst gewesen war. Saha blickte an sich herab. Ihr Körper
war ebenfalls schon menschlich. Auch ihre Haut war wieder eine Spur weicher
geworden. Nur ihr Gesicht trug immer noch animalische Züge.
Im Gegensatz zu Barb. Deren Antlitz war mittlerweile rein
menschlich. Sah Yoolgai immer ähnlicher. Aber auch Barb trug noch Auswüchse an
ihrem Rücken, die nichts mehr mit ihren einst prachtvollen Flügeln gemein
hatten. Ihr Körper war zwar menschlich, aber immer noch von einem feinen
schwarzen Flaum bedeckt, der nur an einigen Stellen gänzlich gewichen war, an
denen rötlichbronzene Haut schimmerte.
Ishtar blickte in den Himmel. Es dämmerte bereits. Doch
vorwitzige Sonnenstrahlen lugten immer wieder zwischen den Wolken hervor.
„Wollen wir zurück in das Dorf gehen?” Sein Blick schweifte zu dem bunten
Wigwam, den man ihnen zugewiesen hatte.
Saha nickte und blickte Barb an. Die Freundin war merklich ruhig
geworden. Das wurde sie immer, wenn sie über etwas nachgrübelte. Saha stieß sie
sanft an. „Kommst du mit, Barb?”
Ein leichtes Kopfschütteln war die Antwort. „Nein, geht ruhig
vor. Ich bleibe noch ein Weilchen hier sitzen.”
Barb sah den Freunden gedankenversunken hinterher. Hiawatha und
Winterdonner gingen ihr einfach nicht aus dem Kopf. Auch wenn sich Winterdonner
den Neuankömmlingen sichtlich abgeneigt zeigte, bestand eine Beziehung zwischen
ihnen. Und sie war nicht körperlicher Natur. Sie war alt und von
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