Regina schafft es doch
Licht auf. „Eimers Bäckerei und Konditorei?“
„Ganz recht. Aber wie Sie wissen, lebt der Mensch nicht vom Brot allein, man hat auch Bedürfnis nach geistigen Werten, und so habe ich meine Augen auf Ihre Terrakottafigur geworfen.“
„Ja“, ergänzte Mortensen, „gerade vor einem Augenblick hat Herr Direktor das ,Füllen’ gekauft. Entschuldigen Sie, Herr Eimer, aber immerhin sind Sie doch der Direktor einer großen Brotfabrik.“
„Jaja, meinetwegen, das spielt keine Rolle! Da ich nun aber das Glück habe, Sie hier zu treffen, Fräulein Frank, möchte ich Sie gern etwas fragen: Ich habe neulich Ihr ,Bärenjunges’ gekauft…“
„Ach, Sie waren das?“ unterbrach Regina.
„Ich sagte schon: Der Herr Direktor ist Ihr bester Kunde, Fräulein Frank“, erklärte Mortensen. „Er hat, soviel ich mich erinnere, auch das ,Mädchen mit Korb’ – und das ,Reh’.“
„Ach nein!“ Die Röte schoß Regina in die Wangen.
Eimer lächelte.
„Ja, da sehen Sie, so sehr habe ich mich in Ihre Terrakottasachen verliebt. Leider habe ich das ,Bärenjunge’ verschenkt, und heute bin ich eigentlich hergekommen, um Herrn Mortensen zu fragen, ob er vielleicht einen Abguß davon hätte…“
Regina schüttelte den Kopf.
Sie wurde einer Antwort enthoben, denn Mortensen antwortete für sie.
„Fräulein Frank macht niemals Abgüsse, das ist es ja gerade! Sie macht ihre Figuren nur einmal und verkauft sie…“
„… oder versucht sie zu verkaufen“, sagte Regina lächelnd.
„… und damit sind sie für immer aus der Welt“, ergänzte Mortensen. „Was meinen Sie, wie oft ich versucht habe, dieses bockbeinige Mädchen zu überreden, daß sie die Abgüsse macht? Aber nein, sie steckt die kleine Nase in die Luft und bleibt dabei, eine Originalarbeit ist nun einmal eine Originalarbeit, macht man zehn Abgüsse, so wird es Dutzendware.“
„Zur Dutzendware gehören aber zwölf, lachte Eimer.“
„Na ja, da ich nun das Bärchen nicht noch einmal bekommen konnte, kaufte ich also Ihr junges Füllen hier.“
Er nahm die Figur wieder vom Tisch hoch.
„Es ist hinreißend, Fräulein Frank, so linkisch, so langbeinig, so scheu und ein wenig hilflos – und trotzdem – , trotzdem so edel, so – so rassig!“
Regina fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen schoß. Sie freute sich unbändig, weil dieser Mann mit wenigen Worten alles ausdrückte, was sie an dieser kleinen Terrakottafigur hatte herausholen wollen.
Während Mortensen das Füllen sorgsam verpackte, unterhielten die beiden sich weiter. Regina erzählte, wie sie zufällig an einem Maitag das kleine Fohlen entdeckt hatte. Wie sie es tagelang studiert hatte, bis die Arbeit gelang, bis es dastand, jung und scheu und unbeholfen und wunderhübsch. Endlich war der Ton so trocken geworden, daß sie ihn brennen konnte. Vor drei Tagen hatte sie das Fohlen zu Mortensen getragen. Heute war sie vorbeigekommen, um sich zu erkundigen, ob es zufällig verkauft wäre.
„Geht es immer so fix?“ fragte Herr Eimer lächelnd.
„Nein, ganz und gar nicht. Oft bleiben meine Sachen monatelang stehen, manches Mal habe ich es aufgegeben und sie wieder zurückgenommen. Aber – aber heute war solch schönes Wetter, und ich hatte plötzlich solche Lust, in die Stadt zu gehen, und…“
Regina blieb in ihrer Rede stecken und wieder flammte die Röte in ihren Wangen auf.
Herr Eimer nickte. Er verstand nur zu gut, was nicht gesagt wurde: „…und ich brauchte Geld.“
Mortensen hatte das Paket fertiggemacht.
„Nun, Fräulein Frank, wollen wir nicht jetzt gleich abrechnen, da Sie gerade hier sind?“
„Ja, tausend Dank, Herr Mortensen – ich komme mit in Ihr Büro.“
Es ging die Kunden ja nichts an, wieviel Prozent Mortensen abbekam. Alle Abrechnungen wurden in dem kleinen Büro hinter dem Laden erledigt.
Regina drehte sich zu Direktor Eimer um. „Ich habe mich furchtbar gefreut, Sie kennenzulernen, Herr Eimer – und ich freue mich auch sehr, daß Sie das ,Füllen’ gekauft haben!“
Er lächelte und nahm die kleine Hand, die sie ihm entgegenstreckte.
„Die Freude ist auf meiner Seite, Fräulein Frank. Ich werde Ihr ,Füllen’ in Ehren halten. Und nun wünsche ich Ihnen alles Gute!“
Regina blieb stehen und sah ihm mit einem kleinen Lächeln nach. Sie gelobte sich selbst, daß sie noch heute Brot von Eimers Brotfabrik kaufen wolle.
Und zwar wollte sie es von dem Geld kaufen, das sie jetzt für das „Füllen“ bekam. Der Rest sollte für die Stromrechnung
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