Regina schafft es doch
wurde eine unvergeßliche Stunde, die sie in den vierundvierzig Prachträumen des Schlosses zubrachten. Das Millionenzimmer mit seinen feinen Miniaturgemälden und Dekorationen aus echtem Gold – die lange Galerie – , das Napoleon-Zimmer – und der kleine runde Salon mit chinesischem Porzellan. Hier verweilte Regina lange.
Der Salon der Kaiserin Elisabeth, der armen Elisabeth.
„Man stelle sich bloß vor, daß man in so steifen, kalten Räumen wohnen müßte!“ seufzte Regina. Und das Schlafzimmer des alten Kaisers, das Schlafzimmer mit der einfachen, schmalen eisernen Bettstelle, die auf so rührende Art und Weise seine unglaubliche Genügsamkeit verriet.
„Ich glaube jetzt fast, wir müssen eine Pause machen“, sagte Gert. „Wie spät ist es? Bald halb zwei? Vater wollte um zwei Uhr hier sein. Und er wird ungeduldig, wenn er seine neugebackene Schwiegertochter zu lange entbehren muß.“
„Neugebacken!“ lachte Regina. „Wie es sich für die Großbäckerei Eimer gehört.“
„Was meinst du wohl, wie glücklich er ist“, sagte Gert. „Wäre er sonst wohl aus aller Arbeit heraus für zwei Tage hergeflogen? Du hattest es ihm ja gleich angetan.“
„Und er mir“, antwortete Regina. „Deshalb wollen wir ihn auch nicht warten lassen.“
„Jedenfalls haben wir noch eine halbe Stunde für uns. Wart mal, du – da haben wir gerade Zeit genug, uns den ,schönen Brunnen’ anzusehen, den wunderbaren Brunnen, von dem das ganze Schloß seinen Namen hat.“
Sie wanderten abermals durch den Park. Gert mußte sich auf diese Erfüllung seines Lebenstraumes gut vorbereitet haben. Denn er kannte den Weg und führte seine Frau mit sicherer Hand auf den Pfaden zwischen Standbildern und Vogelkäfigen mit gurrenden Tauben durch.
Vor einem kleinen Bauwerk blieben sie stehen. Es war eigentlich nur eine gewölbte Nische.
Und hier drinnen war der „schöne Brunnen“.
Regina blieb stumm davor stehen. Die Künstlerin in ihr fühlte sich klein und demütig und unbeschreiblich dankbar, weil es ihr zuteil geworden war, dies zu erleben.
Da lag aus schneeweißem Marmor eine Frauengestalt auf den einen Arm gestützt. Jede Linie ihres Körpers war Rhythmus und Harmonie, die Biegung des Halses so edel, der Kopf und das Antlitz vollkommen.
„Wie ist das schön!“ flüsterte Regina.
Die Frau hielt einen großen Marmorkrug, und aus diesem rieselte das Wasser, das kristallklare Wasser aus dem schönen Brunnen.
Regina sah Gert an und Gert sah Regina an. Er lächelte ganz fein. Und Regina fühlte, wie die Röte ihr in die Wangen stieg, sie wurden heißer und heißer und zuletzt glühte ihr ganzes Gesicht.
„Sag nichts mehr, Gert“, bat Regina ganz kleinlaut. „Nie, nie wieder werde ich mich aufs hohe Pferd setzen und geringschätzig von angewandter Kunst’ reden! Ach Gert – in diesem Augenblick habe ich das Gefühl, daß ich sehr viel falsch gemacht habe.“
„Das ist jetzt verjährt“, lächelte Gert.
„Gert, wenn wir nach Hause kommen, da möchte ich etwas schaffen – und ich freue mich jetzt schon darauf, es dir zu zeigen. Ein Beispiel für – angewandte Kunst. Denn jetzt hab ich etwas gelernt. Ich habe von Reisinger gelernt, und am allermeisten habe ich in dieser Stunde hier, vor diesem Brunnen, gelernt.“
„Und was willst du machen?“
„Das wirst du sehen! Es wird auf alle Fälle in Bronze werden. Und jetzt kann ich selber gießen!“
„Selber gießen“, wiederholte Gert und er blickte lächelnd in das Gesicht seiner Frau. „Das ist gut, Regina. Denn du stehst jetzt vor der Aufgabe, unsere ganze Zukunft und unser ganzes Glück zu gießen.“
Regina richtete den Blick auf ihren Mann, und in ihren Augen schimmerte es.
„Das Glück, Gert, das müssen wir zusammen gießen. Und das gießen wir in Gold!“
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