Regina schafft es doch
übermorgen mal eben vorbei und holst deine Sachen ab?“
„Ja, tausend Dank, Katrin – ich weiß nicht, was ich machen sollte, wenn ich dich nicht hätte!“
„Na eben, nicht wahr? Das sagt Mami auch immer. Du mußt zugeben, daß ich trotz allem eine Art Existenzberechtigung habe. Nun, mein Kind, mach, daß du nach Hause kommst und Staub wischst, und ich werde so lange auf deine Frau und das Mädchen und den Maurer achtgeben, als wären es meine eigenen, teuren Kinder. Wiedersehen!“
Ein unerwarteter Auftrag
Die Morgensonne strömte durch das Dachfenster in Reginas Zimmer. Regina war in guter Stimmung. Es war heute so schön, sie freute sich auf den neuen Tag. Was war eigentlich geschehen? Ach ja, richtig. Das „Füllen“ war verkauft, und Direktor Eimer hatte viel Nettes über ihre Arbeiten gesagt, er hatte sie so gut verstanden – ach, das tat wohl, dergleichen zu hören, wenn man hart arbeitete und wenn man so allein war. Hin und wieder ganz furchtbar allein.
Aber heute war alles schön, und jetzt freute sie sich richtig darauf, an den „Fackelträger“ zu gehen.
Vor dem offenen Fenster dehnte und reckte sich das Mädchen und sog die Morgenluft ein. Das konnte man sich erlauben, wenn man ganz oben unterm Dache wohnte, wo von gegenüber niemand hereinschauen konnte.
Ja, viel Staat war mit diesem Atelier im Hinterhaus nicht zu machen – aber es war billig, und die Lichtverhältnisse waren gut. Und geräumig war es auch. So geräumig, daß sie Ton und Modellierbock und Gips und Werkzeug in der einen Ecke des Raumes für sich haben und in dem anderen „wohnen“ konnte. Hier war eine Kochnische und hier war eine gemütliche Ecke unter dem Schrägdach. Diesen Teil hatte sie mit Sachen aus ihrem Elternhaus möbliert. Mit den paar Dingen, die noch übrig waren. Die meisten waren schon längst in Bargeld umgesetzt worden.
Denn es war nicht leicht, sich als Bildhauerin durchs Dasein zu schlagen.
Noch dazu als Bildhauerin mit Idealen und „Bockbeinigkeit“ und mit hohen künstlerischen Zielen.
Aber bis jetzt war es gegangen. Mit unendlicher Sparsamkeit und einer Fähigkeit, auf alles zu verzichten, was andere Mädchen ihres Alters für lebensnotwendig hielten, auf hübsche Kleider und gute und teure Kosmetik, regelmäßigen Friseurbesuch, viel Ins-Kino-Laufen – und viele, viele andere Dinge.
Reginas Ansprüche an das Dasein waren mehr als bescheiden. Sie war zufrieden, wenn sie so viel verdiente, daß sie die täglichen Ausgaben decken konnte, daß sie ganz in ihrer Kunst aufgehen durfte ohne störende Sorgen, wie sie das Geld für die Miete und den Strom und Gas und Steuern und Versicherungen zusammenkratzen sollte.
Und für etwas Essen hier und da. Aber mit dieser Frage nahm Regina es nicht allzu genau.
Ja, Essen! Im Grunde hatte sie Hunger. Sie mußte doch mal ihre Vorratskammer in Augenschein nehmen. Die Kaffeebüchse war leer. Nun ja, dann trank sie eben Tee. Regina war es ziemlich einerlei. Sie aß, was sich zufällig fand, und im Laufe der Jahre hatte sie sich mit den sonderbarsten Zusammenstellungen abgefunden, wenn Ebbe im Geldbeutel war und sie ihren Essensschrank bis auf den Rest geleert hatte. „Schrankgekratze“ nannte sie es.
Brot hatte sie gestern gekauft, ein Klacks Margarine war noch da. Aber die Marmelade war schimmelig – der Käsekanten schwitzte in der Sommerhitze und sah in keiner Weise appetitlich aus.
Es war wirklich nicht das erste Mal in ihrem Atelierdasein, daß Regina sich mit Tee, Brot und Margarine zum Morgenfrühstück zufrieden geben mußte. Es war sogar so häufig der Fall, daß sie nicht einmal einen Gedanken daran verschwendete.
Sie hatte gerade ihren Tee ausgetrunken, als es an > der Tür klopfte.
Nanu? Wer mochte das sein, um neun Uhr morgens? Regina stand zögernd auf. Sie überlegte blitzschnell. Die Stromrechnung war bezahlt, die Steuern waren noch nicht wieder fällig – die Wohnungsmiete wurde nicht vor dem Ersten bezahlt –, nein, etwas Gefährliches konnte es nicht sein.
Regina machte die Tür auf.
Draußen stand ein junger Mann und lächelte sie freundlich an. Das Gesicht kam ihr irgendwie bekannt vor. Wo hatte sie diese Augen schon einmal gesehen – und dies Lächeln?
„Fräulein Frank? Verzeihen Sie, daß ich Sie so früh schon störe. Mein Name ist Eimer – Gert Eimer!“
„Ach daher!“ entfuhr es Regina.
Er starrte sie erstaunt an.
„Was daher?“
Regina lachte.
„Ach, die Ähnlichkeit. Ich überlegte nämlich
Weitere Kostenlose Bücher