Regulator: Roman
Sicherheit werde ich es nie erfahren, aber auf jeden Fall ist alles eingestürzt, eine Million Tonnen Schieferton und Schiefer und Kalkstein. Wenn ich daran denke, wie knapp Mr. Garin und sein kleiner Junge dieser Katastrophe entgangen sind (ganz zu schweigen von Mr. Allen Symes, dem außergewöhnlichen Geologen) , bekomme ich Fracksausen.
Jack, der ältere Junge, wollte Mo sehen, unseren größten Bagger. Er fährt auf Ketten und arbeitet am inneren Hang, wo er hauptsächlich dazu benützt wird, in Intervallen von fünfzehn Metern Terrassen auszubaggern. Anfang der siebziger Jahre war
Mo der größte Bagger auf dem Planeten Erde, und die meisten Kinder -. besonders Jungs - waren davon fasziniert. Große Jungs auch! Mr. Garin wollte die Maschine ebenso aus der Nähe sehen wie der junge Jack, und ich dachte mir, das würde auch für Seth gelten. Aber da irrte ich mich. Ich zeigte ihnen die Leiter, die zu Mos Führerkabine hinaufführt, welche sich fast dreißig Meter über dem Boden befindet. Jack fragte, ob sie hinaufsteigen könnten, und ich sagte nein, das wäre zu gefährlich, aber sie könnten auf den Ketten Spazierengehen, wenn sie wollten. Es ist ein einmaliges Erlebnis; jedes der Kettenglieder ist so breit wie eine Straße, und jedes der einzelnen Stahlteile, aus denen sie sich zusammensetzen, hat eine Breite von einem Meter. Mr. Garin setzte Seth ab, dann kletterten sie die Leiter zu Mos Raupenketten hinauf. Ich folgte ihnen und hoffte von ganzem Herzen, daß niemand stürzen werde. In diesem Fall wäre ich höchstwahrscheinlich der Sündenbock im Fall eines Schadenersatzprozesses gewesen. June Garin blieb ein Stück zurück, damit sie Fotos von uns machen konnte, wie wir da oben standen, die Arme umeinander legten und lachten. Wir alberten und kasperten vor der Kamera herum und hatten einen Heidenspaß, bis das kleine Mädchen rief: »Komm zurück, Seth! Sofort! Du hast da nichts zu suchen!«
Ich konnte ihn nicht sehen, weil oben, auf Mos Kette, cfer Rest des Baggers im Weg war, aber ich sah seine Mutter und ihren erschrockenen Gesichtsausdruck, als sie ihn erblickte.
»Seth!« schrie sie. »Komm sofort zurück!« Sie rief zwei- oder dreimal, dann ließ sie einfach die Kamera fallen und rannte los. Ich brauchte nur zu sehen, wie sie die teure Nikon fallenließ wie eine leere Zigarettenschachtel. Mit drei Sprüngen war ich die Leiter runter. Ein Wunder, daß ich nicht gefallen bin und mir den Hals gebrochen habe! Wahrscheinlich ist es ein noch größeres Wunder, daß Garin und seinem älteren Sohn Jack nichts passiert ist, aber daran dachte ich in dem Moment nicht mal. Um ehrlich zu sein, dachte ich überhaupt nicht an sie.
Der kleine Junge kletterte schon den Hang zur Öffnung des alten Schachts hinauf, der nur etwa sechs Meter über dem Boden der Grube lag. Ich sah es und wußte, seine Mutter würde ihn nicht mehr erreichen, bevor er reinging. Niemand würde ihn hindern können, da reinzugehen, wenn er es vorhatte. Mein Herz wollte mir in die Stiefel sinken, aber ich ließ es nicht zu. Statt dessen rannte ich, so schnell ich konnte. Ich überholte Mrs. Garin in dem Moment, als Seth den Eingang des Schachts erreichte. Da blieb er einen Moment stehen, und ich hoffte, er würde vielleicht nicht reingehen. Ich dachte mir, wenn ihn die Dunkelheit nicht abschrecken würde, dann möglicherweise der Geruch in dem Stollen - der Geruch eines alten Lagerfeuers, von Asche und angebranntem Kaffee und alten Fleischresten. Dann ging er doch hinein, ohne mich eines Blickes zu würdigen, obwohl ich ihm zurief, daß er stehenbleiben sollte. Ich lief an seiner Mom vorbei und sagte ihr, daß sie um Gottes willen draußen bleiben sollte, daß ich reingehen und ihn herausholen würde. Ich befahl ihr, ihrem Mann und ihrem Sohn dasselbe zu sagen, aber natürlich hörte Garin nicht darauf. Ich glaube, in seiner Situation hätte ich das auch nicht getan.
Ich kletterte den Hang hinauf und unter dem gelben Band durch. Der Kerl war so klein, daß er einfach unten drunter durchlaufen konnte. Ich konnte das leise Tosen hören, das man fast immer in alten Bergwerksschächten hört. Es klingt wie der Wind oder ein ferner Wasserfall. Ich weiß nicht, was es wirklich ist, aber ich mag es nicht und habe es nie gemocht. Ich kenne auch niemanden, der es mag. Es ist ein gespenstisches Geräusch.
Aber an jenem Tag hörte ich darüber hinaus ein anderes, das mir noch weniger gefiel - ein leises, flüsterndes Knirschen. Ich hatte es seit der
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