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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der Dorftrottel, aber das ist er trotz seiner Probleme nicht. Mr. Marinville von gegenüber war gestern mit einem Bananenkuchen hier, den er gebacken hat (er ist ein ausgesprochen liebenswürdiger Mensch für jemanden, der einmal ein Buch über einen Mann geschrieben hat, der eine Affäre mit seiner eigenen Tochter hatte ... und das Buch dann auch noch ausgerechnet Die Wonne nannte), und er hat einige Zeit mit Seth verbracht, der sein Spielen im Sandkasten unterbrochen hatte, um sich Bonanza anzusehen. Erinnerst Du Dich daran? TNT bringt montags bis freitags nachmittags eine Wiederholung (sie nennen es die Ponderosa-Nachmittagsparty, ist das nicht süß?), und Seth liebt die Serie. Wessern, Wessern, sagt er immer, wenn es losgeht. Mr. Marinville, der sich lieber Johnny nennen läßt, hat eine ganze Weile mit uns ferngesehen, wir haben Gewürzkuchen gegessen und Schokoladenmilch getrunken wie alte Freunde, und als ich mich für Seths röchelndes Atmen entschuldigt habe (selbstverständlich hauptsächlich, weil es mich verrückt macht), da lachte Marinville nur und sagte, daß Seth nichts für seine Polypen könnte. Ich weiß nicht einmal genau, was Polypen sind, denke aber, daß wir die von Seth einmal untersuchen lassen sollten. Gott sei Dank für die Blue-Zwillinge - Cross und Shield.
    Eines beschäftigt mich, darum habe ich Dir eine Fotokopie der Postkarte beigelegt, die mir mein Bruder kurz vor seinem Tod aus Carson City geschickt hat. Er sagt darin, daß sie einen Durchbruch mit Seth hatten, einen erstaunlichen Durchbruch, so hat er sich ausgedrückt. Großbuchstaben, jede Menge Ausrufungszeichen. Sieh selbst. Ich war neugierig, also habe ich ihn danach gefragt, als wir wieder miteinander telefoniert haben. Das muß am 27. oder 28. Juli gewesen sein, und es war unser letztes Gespräch. Seine Reaktion war sehr eigentümlich, sehr untypisch für Bill. Ein langes Schweigen, dann ein seltsam gekünsteltes Lachen, »ha-ha-ha!«, wie man es schreiben würde, richtiges Gelächter sich aber höchst selten anhört, außer bei langweiligen Cocktailpartys. Ich habe meinen Bruder in seinem ganzen Leben nie so lachen hören. »Nun, Aud«, sagte er, »was das betrifft, habe ich vielleicht ein bißchen überreagiert.«
    Mehr wollte er zu dem Thema nicht sagen, aber als ich hartnäckig blieb, meinte er, Seth wäre wacher gewesen, mehr bei ihnen, als sie so weit in Colorado waren, daß sie die Rockies sehen konnten. »Du weißt, wie sehr er Westernfilme und -Serien immer geliebt hat«, sagte er, und auch wenn ich es damals nicht wußte, heute weiß ich es ganz bestimmt. Der junge Seth Garin ist ganz verrückt nach Cowboys und Verfolgungsjagden und Schneidet-ih-nen-am-Paß-den-Weg-ab. Bill sagte, Seth hat wahrscheinlich wegen der ganzen Autos und Wohnmobile gewußt, daß er sich nicht im richtigen Wilden Westen befand, aber »die Landschaft hat ihn doch angesprochen«, so hat Bill sich ausgedrückt.
    Ich hätte es dabei bewenden lassen, wenn er nicht so merkwürdig ausweichend gewesen wäre, so ganz anders als sonst. Man kennt seine Verwandtschaft, richtig? Oder glaubt es zumindest. Und Bill war immer extrovertiert und überschäumend oder introvertiert und verschlossen. Dazwischen gab es nicht viel. Aber bei diesem Telefongespräch schien er sich nur dazwischen zu befinden. Also habe ich immer wieder nachgehakt, was ich unter normalen Umständen nicht getan hätte. Ich sagte, daß EIN ERSTAUNLICHER DURCHBRUCH sich nach einem bestimmten Ereignis anhörte. Also sagte er, ja, nicht weit von Ely, einer der wenigen etwas größeren Städte nördlich von Las Vegas, hätte sich tatsächlich etwas Bestimmtes zugetragen. Kurz nachdem sie an einem Hinweisschild vorbeigefahren waren, das den Weg zu einem Kaff namens Desperation wies (reizende Namen haben sie da draußen, das muß ich zugeben, machen einen richtig scharf darauf, hinzufahren), sei Seth »irgendwie ausgerastet.« So hat sich Bill ausgedrückt. Sie waren auf dem Highway 50, der mautfreien Route, und links von ihnen, südlich des Highway, lag ein riesiger Erdwall.
    Bill fand ihn interessant, aber mehr auch nicht. Aber Seth - als er in die Richtung schaute und den Wall sah, drehte er durch. Ruderte mit den Armen und plapperte in seiner typischen Sprache. Für mich hört sich das immer an, als würde jemand ein Tonband rückwärts abspielen.
    Bill und June und die beiden älteren Kinder sind auf ihn eingegangen wie immer, wenn er aus dem Häuschen gerät und zu plappern anfängt,

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