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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sein. Einen Augenblick wäre er fast starr stehengeblieben, wie ein Tier im Scheinwerferlicht eines Autos. Dann war das Geschoß -das etwa so groß wie ein Ziegelstein zu sein schien - an seinem Ohr vorbeigeflogen, und er war mit gesenktem Kopf und pumpenden Armen auf die Haustür der Carvers zugerannt. Das Leben war erstaunlich einfach geworden. Er hatte Soderson und dessen wollüstigen Gesichtsausdruck halbbetrunkener Komplizenschaft vergessen; ebenso seine Befürchtung, Jackson könnte nicht ahnen, daß seine gerade verstorbene Frau offenbar von einem Intermezzo nach Hause gekommen war, wie sie in Country- und Westernsongs besungen wurden; hatte Entragian, Billingsley und alle anderen vergessen. Sein einziger Gedanke war gewesen, er könnte im Niemandsland zwischen den beiden Häusern sterben, von Psychopathen getötet, die Masken und seltsame Uniformen trugen und leuchteten wie Gespenster. Nun befand er sich in einer dunklen Diele und war heilfroh, daß er sich nicht in die Hose gemacht hatte. Irgendwo hinter ihm schrien Leute. An einer Wand war eine Schar Hummel-Figuren befestigt. Sie standen auf kleinen Plattformen ... und in jeder anderen Hinsicht hatten die Carvers so normal gewirkt, dachte er. Er kicherte und preßte eine Hand auf die Lippen, um das Kichern zu unterdrücken. Es war entschieden keine Situation, in der man kicherte. Er hatte einen Geschmack auf der Haut, selbstverständlich nur den Geschmack seines eigenen Schweißes, aber einen Augenblick glaubte er, es wäre der Geschmack einer Möse, und er beugte sich nach vorne und glaubte, daß er sich übergeben müßte. Dun wurde klar, daß er mit ziemlicher Sicherheit ohnmächtig werden würde, wenn er das tat, und der Gedanke half ihm, den Drang zu überwinden. Er nahm die Hand vom Mund, und das half ebenfalls. Zum Lachen war ihm auch nicht mehr zumute, und das mußte ein gutes Zeichen sein. »Mein Daddy!« heulte Ellen Carver hinter ihm. Johnny versuchte sich zu erinnern, ob er jemals - zum Beispiel in Vietnam - ein so durchdringendes, wehklagendes Heulen der Trauer aus dem Mund eines so jungen Mädchens gehört hatte, konnte es aber nicht. »Mein DADDY!« »Still, Liebling.« Das war die frischgebackene Witwe -Törtchen hatte David sie immer genannt. Sie schluchzte selbst noch, versuchte aber schon, zu trösten. Johnny machte die Augen zu und versuchte, sich von allem zu befreien, aber statt dessen zeigte ihm eine gräßliche Erinnerung, worüber er gerade hinweggelaufen - besser gesagt, hinweggesprungen - war. Susi Gellers Freundin. Ein kleines rothaariges Mädchen, wie in den Peanuts-Comics. Er konnte sie nicht da draußen lassen. Sie hatte so tot ausgesehen wie Mary und der arme alte Dave, aber er war über sie hinweggesprungen wie Jack über den Leuchter, während die Kugel noch in seinen Ohren heulte, die ihn knapp verfehlt hatte, und seine Hoden sich hart wie zwei Pfirsichkerne und zusammengeschrumpelt an seinen Unterleib preßten, kein Zustand, in dem ein Mann eine sichere Diagnose treffen konnte.
    Er schlug die Augen auf. Ein Hummel-Mädchen mit Schottenmütze ließ ihm eine tote Porzellanbegrüßung zuteil werden. He, Matrose, möchtest du ein bißchen Wolle mit mir kämmen? Johnny lehnte auf den Unterarmen an der Wand. Eine der anderen Hummel-Figuren war von ihrer kleinen Plattform gefallen und lag in Scherben zu seinen Füßen. Johnny vermutete, daß er sie selbst heruntergestoßen hatte, als er versuchte, nicht zu kotzen und diese abscheuliche Pointe - die beiden anderen kenne ich nicht, aber der in der Mitte sieht aus wie Willie Nelson - aus dem Kopf zu bekommen.
    Er sah langsam nach links, hörte die Sehnen in seinem Hals ächzen und sah, daß die Eingangstür der Carvers noch offenstand. Das Fliegengitter war nur einen Spalt offen und die Hand der Rothaarigen, weiß und still wie ein ans Ufer gespülter Seestern, dazwischen eingeklemmt. Die Luft draußen war grau vom Regen. Der Regen fiel mit einem konstanten Zischen, wie vom größten Dampfbügeleisen der Welt. Er konnte das Gras wie ein süßliches Parfüm riechen. Gewürzt war es mit dem Aroma von Zedernrauch. Gott segne den Blitz, dachte er. Das brennende Haus würde Feuerwehr und Polizei auf den Plan rufen. Aber vorerst... Das Mädchen. Ein kleines rothaariges Mädchen, wie das, in das Charlie Brown so vernarrt war. Johnny war einfach über sie hinweggesprungen, vom blinden Instinkt getrieben, seinen eigenen Arsch zu retten. Im Eifer des Gefechts verständlich, aber man konnte

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