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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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es nicht dabei bewenden lassen. Nicht, wenn man nachts ruhig schlafen wollte. Er wollte zur Tür. Jemand hielt ihn am Arm fest. Er drehte sich um und sah das angespannte, ängstliche Gesicht von Dave Reed, dem dunkelhaarigen Zwillingsbruder. »Nicht«, sagte Dave mit einem verschwörerischen heiseren Flüstern. Sein Adamsapfel hüpfte in seinem Hals auf und ab wie ein Kolben. »Nicht, Mr. Marinville, die könnten noch da draußen sein. Sie würden nur das Feuer auf sich lenken.« Johnny betrachtete die Hand auf seinem Arm, legte seine eigene darauf und entfernte sie sanft, aber bestimmt. Er konnte sehen, wie ihn Brad Josephson hinter Dave beobachtete. Brad hatte den Arm um die ansehnlichen Hüften seiner Frau gelegt. Belinda schien am ganzen Körper zu zittern, und das war eine Menge, was zittern konnte. Tränen liefen an ihren Wangen hinab und hinterließen glänzende Mokkaspuren.
    »Brad«, sagte Johnny. »Bringen Sie alle, die hier sind, in die Küche. Ich bin ziemlich sicher, das ist der am weitesten von der Straße entfernte Raum. Lassen Sie alle auf den Boden setzen, okay?« Er schubste den jungen Reed behutsam in die Richtung. Dave ging, aber langsam, ohne Rhythmus im Gang. Johnny fand, er sah wie ein Aufziehspielzeug mit rostigen Zahnrädern aus. »Brad?«
    »Okay. Aber lassen Sie sich nicht den Kopf wegpusten. Das hatten wir schon zur Genüge.« »Nein. Ich hänge dran.«
    »Dann sehen Sie zu, daß er an Ihnen dranbleibt.« Johnny sah Brad, Belinda und Dave Reed nach, wie sie den Flur entlang zu den anderen gingen - im Halbdunkel waren sie nur eine Gruppe Schatten -, dann drehte er sich wieder zur Tür um. Er sah, daß ein faustgroßes Loch mit scharfkantigem Drahtgeflecht an den Rändern in das Riegengitter gerissen worden war. Etwas so Großes, daß er gar nicht daran denken wollte (möglicherweise etwas so Großes wie ein Ziegelstein) war da durchgeschossen worden und hatte die versammelten Nachbarn wie durch ein Wunder verfehlt... hoffte er. Jedenfalls schrie keiner vor Schmerzen. Aber, Herrgott, womit, um Himmels willen, hatten die Typen in dem Lieferwagen geschossen? Was war so groß? Er ließ sich auf die Knie nieder und kroch auf den kühlen, feuchten Luftzug zu, der zur Tür hereinkam. Auf den angenehmen Geruch von Regen und Gras zu. Als er so nahe war, wie es nur ging, und mit der Nase fast an das Fliegengitter stieß, sah er nach rechts und dann nach links. Rechts war frei - er konnte fast bis zur Kreuzung sehen, obwohl die Bear Street selbst sich hinter Regenschleiern verbarg. Nichts zu sehen - keine Lieferwagen, keine Außerirdischen, keine Irren, die sich wie Flüchtlinge aus Stonewall Jacksons Armee anzogen. Er sah sein eigenes Haus nebenan; erinnerte sich daran, wie er Gitarre gespielt und seinen alten Folk-Hirngespinsten nachgehangen hatte.
    Rämblin Jack Marinville, mit seinen unersättlichen Halbstiefeln von Eric Anderson, immer auf dem Weg zum nächsten Horizont, auf der Suche nach den Veilchen der Dämmerung. Er dachte von einer ebenso brennenden wie sinnlosen Sehnsucht erfüllt an seine Gitarre. Der Ausblick nach links war nicht so gut; man konnte ihn sogar beschissen nennen. Der Bretterzaun und Marys Lumina versperrten die Sicht bergab. Jemand - ein Heckenschütze im Grau der Konföderierten zum Beispiel - könnte sich da unten praktisch überall verstecken und auf die nächste Zielscheibe warten. Ein etwas verbrauchter Schriftsteller, dem noch eine Menge Kaffeehaus-Phantasien durch den Kopf spukten, käme da gerade recht. Wahrscheinlich war niemand mehr da - sie würden wissen, daß die Cops und die Feuerwehr jeden Moment auftauchen konnten, und sich verdünnisiert haben -, aber wahrscheinlich schien unter den Umständen nicht ausreichend zu sein. Weil diese Umstände nicht den geringsten Sinn ergaben. »Miss?« sagte er zu der ausgebreiteten Masse roten Haars auf der anderen Seite des Fliegengitters. »He, Miss! Können Sie mich hören?« Er schluckte und hörte ein lautes Klicken im Hals. Es kreischte nicht mehr in seinem Ohr, dafür ertönte jetzt ein konstantes Summen. Johnny hegte die Befürchtung, daß er damit noch eine ganze Weile würde leben müssen. »Wenn Sie nicht sprechen können, bewegen Sie die Finger.« Keine Antwort, und das Mädchen bewegte auch die Finger nicht. Sie schien nicht zu atmen. Er konnte Regen auf ihrer für Rothaarige typischen blassen Haut sehen, der zwischen ihrem BH und dem Hosenbund ihrer Shorts hinabfloß, aber sonst schien sich nichts zu bewegen.

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