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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sich, daß er sich um niemanden Gedanken machen konnte, nicht einmal um sich selbst. Er wollte nur eines - aber das, schien es, mehr als alles andere auf der Welt -, nämlich das Heulen der Sirenen von Feuerwehr- und Streifenwagen hören. Aber er hörte nur Donner, das prasselnde Feuer in Hobarts Haus und das Zischen des Regens. »Lassen -« begann Brad, verstummte und gab ein Geräusch zwischen einem Würgen und einem Schlucken von sich. »Lassen Sie sie liegen.«
    Ja. Was sonst, wenigstens im Moment, hätte er tun können?
    Sie zogen sich auf Händen und Knien den Flur entlang zurück. Johnny ging anfangs rückwärts und drehte sich dann um, wobei er mit den Mokassins durch die Scherben der heruntergefallenen Hummel-Figur strich. Brad hatte bereits die Eßzimmertür hinter sich gelassen und fast den halben Weg zur Küche, wo seine Frau, ebenfalls auf den Knien, auf ihn wartete. Brads ansehnliches Hinterteil wippte in einer Art und Weise hin und her, die Johnny unter anderen Umständen komisch gefunden hätte. Etwas stach ihm ins Auge, und er blieb stehen. Ein kleines, dekoratives Tischchen stand neben der Tür zum Eß-zimmer, wo David Carver nie wieder an Thanksgiving einen Truthahn oder an Weihnachten eine Gans tranchie -ren würde. Auf diesem Tischchen standen, hey, was für eine Überraschung, ein rundes Dutzend Hummel-Figuren. Der Tisch stand nicht mehr gerade, sondern lehnte an der Wand rechts von der Tür wie ein Betrunkener, der an einem Laternenpfahl döste. Er war eines seiner Beine beraubt worden. Die Schäferinnen, die Melkerinnen und die Bauernjungen von Hummel lagen weitgehend auf dem Rücken oder den Gesichtern; unter dem Tischchen lagen Scherben, da einige heruntergefallen und zerschellt waren. Zwischen den buntbemalten Splittern lag noch etwas, etwas Schwarzes. Im Halbdunkel hielt Johnny es zuerst für den Kadaver eines großen schwarzen Käfers. Er kroch noch ein Stück näher hin und verwarf den Gedanken. Er sah über die Schulter zu dem faustgroßen Loch in der oberen Hälfte des Fliegengitters. Wenn das von einem Geschoß auf dem letzten Abschnitt einer abwärts verlaufenden Flugbahn stammte -
    Er schätzte die Flugbahn eines solchen hypothetischen Projektils ab und stellte fest, daß es tatsächlich ein Tischbein zertrümmert und den Tisch selbst in diese schräge Haltung trunkener Überraschung befördert haben könnte. Und dann, als seine Wucht sich erschöpft hatte, war es zum Stillstand gekommen?
    Johnny griff mit der Hand in den Scherbenhaufen hinein und hoffte, daß er sich nicht schneiden würde (seine Hand zitterte stark, was sich auch durch Konzentration nicht beseitigen ließ), dann hob er den schwarzen Gegenstand auf. »Was haben Sie da?« fragte Brad und kroch auf Johnny zu.
    »Brad, komm sofort hierher!« flüsterte Belinda wütend. »Ruhig«, sagte Brad zu ihr. »Was haben Sie da, John?« »Ich weiß nicht«, sagte er und hielt das Ding hoch. Er nahm an, er wisse es doch, habe es eigentlich schon gewußt, seit er es nicht mehr für die sterblichen Überreste eines merkwürdigen Sommerkäfers halten konnte. Aber in seinem ganzen Leben hatte er noch nie so ein abgefeuertes Geschoß gesehen. Es war nicht das Geschoß, welches das Mädchen getötet hatte, so viel schien festzustehen; sonst wäre es plattgedrückt und verformt gewesen. Dieses Ding schien nicht mal einen Kratzer abbekommen zu haben, obwohl es abgefeuert worden und durch das Fliegengitter gegangen war und das Tischbein abgetrennt hatte. »Zeigen Sie her«, sagte Brad. Seine Frau war zu ihm gekrochen und sah ihm über die Schulter. Johnny ließ es auf seine blasse Handfläche fallen, einen schwarzen Kegel, etwa siebzehn Zentimeter von der Spitze, die scharf genug aussah, um Haut zu durchstoßen, bis zur runden Basis. Er schätzte, daß der Durchmesser an der breitesten Stelle etwa fünf Zentimeter betrug. Es bestand aus schwarzem Metall und wies, soweit Johnny sehen konnte, keinerlei Markierungen auf. Keine konzentrischen Ringe waren in die Grundfläche eingestanzt, keine Spur von einem Zündhütchen (auch kein heller Kratzer vom Schlagbolzen des Gewehrs, aus dem es abgefeuert worden war), kein Herstellername, keine Kaliberangabe. Brad sah auf. »Was, zum Teufel?« fragte er und hörte sich so bestürzt an, wie Johnny sich fühlte.
    »Laßt mich sehen«, sagte Belinda mit leiser Stimme. »Mein Vater hat mich immer mit zum Schießstand genommen, und ich war seine kleine Gehilfin, wenn es ans Nachladen ging. Gib

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