Reich der Schatten
er verschwunden war. Ein Blinzeln, und der Mann war weg. Jacques seufzte leise.
In diesem Moment schrillten Schreie durch das Château.
»Tara, so beruhige dich doch! Hör auf!« – Sie wurde so heftig geschüttelt, dass sie kaum noch Luft bekam. Tara hörte kurz auf zu kämpfen und rang verzweifelt um Atem. Hasserfüllt starrte sie Brent an.
»Das ist Rick, Rick Beaudreaux«, sagte er.
Na und? Machte das die Sache etwa besser?
»Meine Cousine …«
»Er ist einer von uns, Tara.«
Sie blickte von Brent, der sie noch immer mit eisernem Griff umklammert hielt, zu dem anderen Mann. Der tastete keuchend die Wunden in seinem Gesicht ab, die sie ihm mit dem Kreuz beigebracht hatte.
»Tut mir leid, dass wir uns noch nicht vorgestellt wurden«, meinte er grimmig lächelnd. »Tut mir echt leid.« Er warf Brent einen einigermaßen vorwurfsvollen Blick zu. »Aber Sie waren so misstrauisch, und Sie wollten nichts glauben. Jemand muss Ihre Cousine bewachen. Es war wirklich erstaunlich, als ich sie traf … Ich schwöre Ihnen, ich würde sie beschützen, selbst wenn es mich das Leben kosten würde – mein momentanes Leben. Ich habe sie nur bewacht.«
Tara starrte ihn sprachlos an. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er in Eis gepackt, bis ins Innerste gefroren.
»Warum wacht sie nicht auf?«, fragte sie schließlich. »Sie liegt da und schläft, und dabei sieht sie aus, als wäre sie tot.«
Erst jetzt bemerkte sie, dass Brent sie losgelassen hatte. Sie machte einen Schritt zurück und rieb sich den schmerzenden Unterarm. Sie sah zu Ann, die noch immer reglos im Bett lag, dann auf den blonden Riesen, der ihr als Rick vorgestellt worden war, und schließlich zu Brent.
»Jemand hat sich an sie rangemacht«, sagte Brent.
»Wovon redest du? Was soll das heißen?«, fragte Tara gereizt.
Als Rick wieder ans Bett treten wollte, stellte sie sich schützend vor ihre Cousine. »Rühren Sie sie nicht an! Wagen Sie es bloß nicht, sie anzufassen!«
Rick ignorierte Taras Griff um seinen Arm. Mit der freien Hand zog er die Decke zurück und strich Anns Haar zurück. »Die Stellen da – sehen Sie diese Stellen, Tara? Ich glaube, es hat schon vor einiger Zeit begonnen, und zwar sehr behutsam. Aber es hat sich jemand an Ann zu schaffen gemacht.«
Tara sah die Wunden am Hals ihrer Cousine, winzig zwar, aber deutlich erkennbar. In ihr zerbrach etwas. Sie kam sich vor wie in einem Albtraum, doch dieser Traum war real, es gab kein Erwachen, kein Entrinnen.
»Dann ist Ann … tot?«, fragte sie tonlos. »Tot, entschwunden, verloren?«
»Nein, nicht unbedingt«, meinte Brent.
»Wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht mehr an sie herankommen«, sagte Rick Beaudreaux. Er warf Brent einen fragenden Blick zu.
»Red ruhig weiter«, forderte Brent ihn auf, während er Tara genau beobachtete. »Sie hat schon sehr viel gesehen und sehr viel vermutet, aber trotzdem will sie mir nicht glauben.«
Tara ging zur Balkontür und machte sie zu. Auch den Knoblauch hängte sie wieder davor. Dann trat sie mit den Tränen kämpfend an Anns Bett und vergewisserte sich, dass ihre Cousine noch atmete und ihr Herz schlug.
»Sie ist krank, oder?«, fragte sie.
»Wenn sie nicht bald zu Bewusstsein kommt, muss sie ins Krankenhaus, um eine Bluttransfusion zu erhalten«, sagte Brent. »Aber wir müssen auf ihre Sicherheit achten. Am besten wäre, sie bliebe hier, weit weg von der Kraft, die sich ihrer bemächtigt und inzwischen die Kontrolle über sie erlangt hat.«
»Vampire töten auf unterschiedliche Weise«, erklärte Rick. »Meist trinken sie sich satt und zerstören dann die sterblichen Überreste.«
»Indem sie ihre Opfer köpfen?«, fragte Tara.
»Richtig«, erwiderte Brent.
»Und was ist mit dem berühmten Pfahl ins Herz?«, fragte Tara sarkastisch.
»Der wirkt auch, aber eine Enthauptung ist besser. Nur so kann man sich sicher sein.«
»Ich verstehe das alles nicht. Wie sind Sie denn ins Haus gekommen?«, fragte sie Rick.
»Ann hat mich hereingelassen.«
»Ann schläft doch.«
»Sie hat mich im Schlaf eingelassen.«
»Ich verstehe das nicht.«
»Das ist doch ganz einfach – Rick ist ein Vampir«, erklärte Brent.
Wieder kam es Tara vor, als würde sich eine schwarze Wolke auf sie herabsenken, als würde die Welt aus den Fugen geraten, als wäre das alles ein Albtraum, aus dem sie nicht erwachen konnte.
»Dann müssen wir ihn vernichten, oder etwa nicht?«, fragte sie barsch.
»Also
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