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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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seinem Kopf formten sich Worte.
    Ja, Yvette, ich liebe dich. Ich rette dich, ich komme.
    Sie kam immer näher. Dabei flatterte der seltsame dünne Stoff so heftig, als befände sich mitten in dem Hotelzimmer ein Windkanal. Und plötzlich überkam ihn eine merkwürdige Unsicherheit. Es war Yvette, das schon, ja. Aber sie war anders. Ab und zu blitzte etwas auf, was ihn denken ließ, dass das nicht wirklich Yvettes Gesicht war, nein, das war nicht wirklich Yvettes Gesicht, und dennoch …
    Paul, ich brauche dich.
    Wo bist du?
    Dummer Junge, komm näher, komm doch näher. Ich brauche dich, nimm mich in den Arm, Paul, hilf mir, Paul, rette mich, Paul, lass mich dich lieben, bitte mich, dich zu lieben. Ich bin ganz nah, und ich habe Angst. Kannst du mir wirklich verzeihen, Paul? Lade mich doch zu dir ein!
    Er wusste nicht, ob plötzlich ein kalter Windstoß zum Fenster hereinwehte – hatte er das Fenster überhaupt aufgelassen? – oder ob er sich diese kalte Böe nur einbildete.
    Vielleicht nicht.
    Mir ist kalt, Paul, so kalt …
    Ja, Liebste, komm her, ich werde dich wärmen.
    Begrüße mich hier, ich kann nicht weiter. Komm her, Paul, bitte, umarme mich, ich brauche deine Wärme.
    Sie war ganz nah. Paul wähnte sich in einem wundervollen Traum. Er sah einen Teil von sich aufstehen und zu ihr gehen. Sie stand da, umrahmt von der hereinbrechenden Dämmerung, eingehüllt in das glänzende Gewand.
    Komm zu mir, Paul.
    Der Wind wehte den dünnen Stoff beiseite. Yvette, seine Yvette, ja, sie war da, sie war zu ihm gekommen, weil sie sich verlaufen hatte, weil sie Angst hatte und einsam war, und jetzt war ihr klar geworden, was in seinen Armen zu finden war.
    Doch plötzlich hielt er inne, denn erneut beschlich ihn dieses seltsame Gefühl. Es war Yvette und doch auch wieder nicht, ab und zu blitzte etwas auf, was ihn völlig verwirrte. Den Bruchteil einer Sekunde lang schien das Gesicht einer anderen zu gehören …
    Aber sie stand doch leibhaftig vor ihm. Er sah den Puls an ihrem Hals, er sah ihre Lippen glänzen, nachdem sie sie befeuchtet hatte. Ihr war kalt, sie brauchte ihn. Ihre Brüste waren geschwollen, die Warzen steil aufgerichtet. Er streckte die Hand nach ihr aus.
    Er blinzelte und fragte sich, wie es sein konnte, dass sie in diesem Traum so völlig real wirkte. Und wie es kam, dass er dastand und den Boden unter seinen Füßen spürte, wo er doch eigentlich auf dem Sofa lag und schlief. Ja, natürlich, es war nur ein Traum. Aber Yvette war hier, sie stand leibhaftig vor ihm …
    Er streckte die Hand aus.
    Er berührte sie am Arm.
    Er erbebte, als er sie spürte. Er konnte sie an sich ziehen, sich in ihr vergraben, sie riechen, schmecken, in der Frau ertrinken, die er so liebte, die so erfahren war in der Liebe, viel erfahrener als er. Und obgleich er ihr das manchmal übel nahm, war sie doch eine solch fantastische Geliebte, dass er immer wieder das Gefühl hatte, er könnte in ihren Armen sterben.
    Yvette, oh mein Gott, Yvette.
    Paul.
    Die Vorhänge flatterten im Wind, umhüllten sie, umhüllten auch ihn. Er griff mit zitternden Fingern nach ihr, seine Hände legten sich um ihre Taille, er begann, sie an sich zu ziehen.
    »Paul!«
    Es war die Frau, die laut nach ihm gerufen hatte. Ihr Ruf klang besorgt, wie eine Warnung.
    Er drehte sich zornig nach ihr um. Hier stand Yvette, nackt, wartend, ihn begehrend – und sie störte ihn. Sein Traum würde aufhören, seine wunderschöne Geliebte würde verschwinden.
    »Paul, komm zurück! Rasch!«, befahl sie ihm.
    »Zu spät«, rief Yvette.
    Er wandte sich wieder ihr zu. Ja, natürlich, dieser Störenfried konnte ihm nichts anhaben, er musste Yvette nur fester halten.
    »Komm rein, komm rein zu mir, Yvette«, rief er.
    Er hörte ein kehliges Lachen.
    Und dann sah er ihr Gesicht. Er sah ihr wirkliches Gesicht …
    … und begann zu schreien.
    »Eines davon, es muss eines von denen sein, ganz in der Nähe, hier in dieser Gegend«, erklärte Jacques und deutete auf die markierten Stellen einer Landkarte, die ausgebreitet vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Lucian stand neben ihm und betrachtete ebenfalls die Karte.
    »Es ist so schwer, sich jetzt noch genau daran zu erinnern, wo alles lag … das Land war besetzt. Die Stadt blieb zwar größtenteils verschont, aber hier auf dem Land wurden nach dem Krieg viele Häuser verlassen. Heute stehen nur noch die Ruinen. Viele Männer kehrten nicht aus dem Krieg zurück. Ganze Familien zogen weg. Das Château überstand natürlich

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