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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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dazu, die Welt schwarz-weiß zu malen, und sie konnte äußerst nachtragend sein. Ihr Stolz und eine klare Richtung waren ihr sehr wichtig.
    »Das ist bestimmt nicht leicht für dich. Schließlich arbeitet ihr in derselben Firma. Ihr arbeitet doch noch zusammen, oder?«, fragte Tara.
    »Er hat ein eigenes Büro.«
    Tara dachte ein Weilchen nach. Ann hatte so von Willem geschwärmt. Sie hatte geklungen, als stünden sie kurz vor der Verlobung.
    »Jetzt muss ich doch noch mal etwas genauer nachfragen«, meinte sie schließlich. »Was genau hat er denn getan, dort in deinem Büro?«
    Ann verdrehte die Augen. »Das Mädchen lag auf meinem Schreibtisch, und er beugte sich über sie. Willst du mehr hören?«
    »Ich will alles hören«, erwiderte Tara. »Waren die zwei … bekleidet?«
    »Ja, das waren sie wohl noch.«
    »Dann war es ja vielleicht so, dass …«
    »Erfinde bloß keine Entschuldigungen für ihn«, fauchte Ann. »Sie haben sich jedenfalls geküsst und befummelt, und das hat mir völlig gereicht.«
    »Ich will ihn nicht entschuldigen. Aber vielleicht hat das Model ihn ja genötigt, sich zu kompromittieren. Oder vielleicht hat er ihr nur gezeigt, wie sie sich fotografieren lassen soll.«
    Tara schnitt eine Grimasse. Warum versuchte sie eigentlich, jemanden zu verteidigen, den sie gar nicht kannte, jemanden, der in einer Situation ertappt worden war, über die sie gar nichts wusste?
    Ann lachte kurz auf. »Es waren keine Fotografen da. Und das männliche Model auch nicht. Deshalb …«
    »Deshalb hast du an Ort und Stelle mit ihm Schluss gemacht?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn rauswerfe, wenn er noch einmal einen Fuß in mein Büro setzt. Das war mein voller Ernst, und er hat mir geglaubt. Außerdem habe ich ihm gesagt, dass ich ihn mit meinem Brieföffner erdolchen würde. Auch das war mein voller Ernst. Und was war nun mit dir und deinem Börsenmakler?«
    Tara zögerte. Wie sollte sie Ann erklären, was sie dazu gebracht hatte, die Beziehung zu einem wirklich netten, attraktiven jungen Mann abzubrechen? Bestimmt würde Ann sie für völlig verrückt halten, für noch verrückter als ihren Großvater.
    »Nun?«, beharrte Ann. »Ich habe dir meine Geschichte doch auch ganz offen erzählt!«
    »Es hat einfach nicht gestimmt.«
    »Was hat nicht gestimmt? Du hast doch gesagt, er sieht gut aus, er ist höflich, charmant und sexy. Hat er seinen Sexappeal verloren?«
    »Nein.«
    Ann schüttelte den Kopf. »Er verdient ordentlich, er ist kein darbender Künstler und tritt mit keiner lächerlichen Band in einer schrägen Bar auf, oder?«
    Tara lachte. »Nein, Jacob ist wirklich ein anständiger Bursche. Ich kann es mir selbst nicht recht erklären. Er wollte mit mir zusammenziehen, sich fest an mich binden, aber ich habe einen Rückzieher gemacht. Es war einfach nicht … nicht richtig. Ich weiß nicht, wie ich es sonst erklären soll«, beendete sie ihre Ausführungen lahm. Aber sie wusste wirklich nicht, wie sie Ann begreiflich machen sollte, warum sie mit Jacob Schluss gemacht hatte. Er hatte sogar volles Verständnis dafür aufgebracht, dass sie jetzt unbedingt nach Paris musste. Und dennoch …
    Sie hatte ein sehr seltsames Gefühl bei dieser Reise gehabt. Ihr war es vorgekommen, als ob sie ihr Leben lang darauf gewartet hätte.
    Und außerdem dieser Traum …
    Sie hatte schon länger vorgehabt, nach Paris zu reisen, auch wenn sie ursprünglich später hatte fliegen wollen. Eines Abends – sie arbeitete zu der Zeit an einem wichtigen Auftrag und überlegte sich immer wieder, wann es denn am günstigsten sei loszuziehen – war sie eingeschlafen und …
    … und hatte sich über Paris wiedergefunden. Sie hatte die Stadt unter ihr liegen sehen, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Sie sah die Stadt, die sie liebte, die Kuppel von Notre Dame, den Eiffelturm. Sie sah sich zusammen mit Ann in einem Café sitzen und danach ins Dorf fahren. Und dann … dann war Nebel aufgekommen, und sie war zu Fuß unterwegs. Sie lief durch die Wälder der Umgebung und wollte unbedingt einen ganz bestimmten Ort erreichen. Und auf diesem Streifzug hatte sie Angst.
    Sie hatte Angst vor den Schatten, die überall herumgeisterten; Schatten, die sich verzerrten, die sich bewegten, die seltsame Umrisse hatten und zu flüstern schienen. Sie wusste nicht, ob ihr dieses Flüstern etwas sagen wollte, ob es sie weiterlocken oder warnen wollte. Aber sie musste unbedingt an ihr Ziel gelangen, ein Haus. Es hatte etwas mit ihrem Großvater

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