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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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worden.«
    Millettes Anspannung verriet ihm, dass das nicht alles war.
    »Und?«, fragte er. »Mann, Frau, Kind? Gibt es Hinweise auf die Todesursache?«
    »Eine Frau. Der Gerichtsmediziner ist eben erst zum Fundort gerufen worden. Aber …«
    »Ja?«
    »Das Opfer wurde geköpft.«
    Sie würde nicht sterben, dachte Tara.
    Zumindest nicht jetzt.
    Nachdem Brent die Mistgabel weggeworfen hatte, spürte Tara wieder die unerklärliche Anziehungskraft, die von ihm ausging. Sie wurde zu ihrem Feind hingezogen, sie warf sich mehr oder weniger in seine Arme, auch wenn sie noch immer am ganzen Leib zitterte, auch wenn sie noch immer kurz davor war, zu schreien oder zu weinen und sämtlichen Unsinn zu widerlegen, den dieser Mann ihr einzureden versuchte.
    Aber sie war froh, als sie die stählerne Kraft und die Wärme seiner Arme spürte, die sich um sie schlossen und ihr Schutz boten. Eine leise Stimme in ihr wollte sie noch immer warnen, aber ihr Instinkt und ihr Verlangen waren stärker. Seit ihrer ersten Begegnung hatte sie sich danach gesehnt, von ihm umarmt zu werden. Sie kam sich wie eine Motte vor, die direkt in die Kerzenflamme fliegt. Doch nachdem sie sich einen Moment lang lächerlich geborgen und mehr als bereit gefühlt hatte, zu verbrennen, entzog sie sich seiner Umarmung, trat einen Schritt zurück und musterte ihn fragend.
    »Du hast mich benutzt, um an meinen Großvater heranzukommen«, sagte sie.
    »Nein. Nach dem, was in der Grabkammer passiert ist, wäre ich ohnehin zu deinem Großvater gegangen.«
    »Du hast doch schon vorher mit ihm geredet. Du warst es doch, der ihn davon überzeugt hat, dass sich in Paris Vampire herumtreiben.«
    Er legte den Kopf schief. »Vor dem Vorfall in der Grabkammer habe ich nicht mit ihm gesprochen.«
    »Er hat dich aber gekannt!«
    »Wir sind uns früher einmal begegnet.«
    »Wann?«
    »Vor langer Zeit. Es hatte nichts mit den jetzigen Ereignissen zu tun.«
    »Und welche Rolle spielt bitte schön mein Großvater in dieser Farce?«
    »Er ist ein Mitglied der alten Allianz.«
    »Was ist das für eine Allianz?«
    »Eine sehr, sehr alte Organisation.«
    »Ach so, verstehe: Die Mitglieder dieser Allianz sind so etwas wie Freimaurer, nur dass sie an Vampire glauben.«
    »Es sind Wächter.«
    »Und was bewachen sie?«
    »Die Menschheit, das geheiligte Recht zu leben, das Gute, das sie vor dem Bösen beschützen. In diese Richtung geht ihre Aufgabe, auch wenn man sie mit unterschiedlichen Begriffen beschreiben kann.«
    »Und wann wurde diese Allianz gegründet?«
    »Ihre Ursprünge reichen bis ins Mittelalter.«
    »Na gut«, meinte sie. Da sie sich noch immer gegen seine Worte wehrte, zwang sie sich, so unbeirrt und kritisch wie ein Polizeibeamter zu klingen. »Und du gehörst ebenfalls zu dieser Allianz?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Aber welche Rolle spielst du dann?«
    »Ich stehe am Rand«, sagte er leise. Dann zuckte er die Schultern. »Mir waren Gerüchte über diese Ausgrabung zu Ohren gekommen. Aufgrund verschiedener Legenden und Geschichten wusste ich, was man sich von Louisa de Montcrasset erzählte. Ich habe mich eingehend mit französischer Geschichte beschäftigt, und deshalb bot ich Dubois an, für ihn zu arbeiten, weil ich sichergehen wollte, dass ich dabei bin, wenn der Sarg geöffnet wird.«
    »Aber stattdessen bist du zu mir gerannt.«
    »Ja.«
    Sie wollte an ihm vorbei nach draußen. »Du musst dich nicht verpflichtet fühlen, mir zu folgen oder mich zu beschützen, nur weil ich zufällig zu der Zeit dort war oder weil Jacques mein Großvater ist.«
    Er packte sie am Arm. »Ich fühle mich aber dazu verpflichtet.«
    »Ich kann schon alleine auf mich aufpassen.«
    »Nein, das kannst du eben nicht, zumindest momentan nicht. Aber dass du dich von mir verfolgt fühlst – na ja, das hat nichts mit deinem Großvater zu tun.«
    Stocksteif stand sie da, hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch, ihn abzuschütteln und wegzurennen, und dem Verlangen, sich noch einmal in seine Arme zu werfen.
    »Du lügst«, sagte sie.
    »Du weißt, dass das nicht stimmt.«
    Sie hielt ein letztes Mal inne, doch dann gab sie ihren Widerstand auf. Draußen dämmerte es inzwischen, und im Stall wurden die Schatten immer dichter, aber sie wirkten nicht bedrohlich. Langsam trat sie näher, und noch langsamer streckte sie eine Hand aus, um ihn zu berühren. Mit den Fingern streichelte sie sein Gesicht und zeichnete dessen Umrisse nach. Sie trat noch etwas näher. Er rührte sich nicht, hielt sie aber

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