Reich durch Hartz IV
sei, sie einzustellen. Sie ist erst im dritten Monat. Man werde sie bis zum Eintritt des gesetzlichen Mutterschutzes beschäftigen und nach der Geburt des Kindes auch, wenn sie denn wolle. Auch die Arbeitszeit stimmt: Jeden Tag von 14 bis 18 Uhr würde sie in einer Schule im Landkreis Reinigungsarbeiten übernehmen, nicht weit weg von ihrem Zuhause. Ilona B ist sichtlich nicht begeistert, aber dessen ungeachtet vereinbart Dagmar Oppolzer für sie ein Vorstellungsgespräch bei der Firma Sauber Proper Clean für denselben Nachmittag. Und zwar vor Ort im Schulzentrum. Die Firma sucht eine Mitarbeiterin für ab sofort und zahlt nach Tarif, 7,87 Euro die Stunde. Personalchefin Heidemarie Apel weiß von der Schwangerschaft und bietet der Bewerberin zunächst einen befristeten Vertrag an.
Sie begrüßt Ilona B. mit einem kräftigen Händedruck. »Sie machen jetzt bei uns erst mal bis zu Ihrem Mutterschutz eine Krankenvertretung, und dann schauen wir mal. Wenn alles gut klappt und wir miteinander klarkommen, werde ich Ihren Vertrag gerne verlängern und Sie unbefristet einstellen. Hier in der Schule ist immer was zu tun.« Ilona B. weiß, dass sie bei offener Verweigerung eine Kürzung ihres Hartz-IV-Satzes riskiert. Sie stimmt zu.
Ein paar Tage später rückt Ilona B. in der Schule an. Sie soll die Schultische und Fensterbänke abwischen und mit einem Mopp die Böden saubermachen. Bücken muss sie sich dabei nicht. Die Reinigungsfirma hat dafür spezielle Mopps mit einem Teleskoparm angeschafft.
Sechs Tage später. Ilona B. kommt nicht mehr. Ohne Entschuldigung. Ohne abzusagen. Personalchefin Heidemarie Apel ist sauer: »Nach einer Woche Arbeitseinsatz erschien sie nicht mehr. Sie meldete sich noch nicht einmal ab. Sie kam einfach nicht mehr, und das ist für uns ein Problem. Das geht dann alles zulasten der anderen Kolleginnen. Aber das ist leider eine Erfahrung, die ich immer wieder mache. Es ist kein Einzelfall. Insofern überrascht mich das nicht besonders. Ziemlich bald kam dann eine Krankmeldung. Und ich muss leider sagen, dass es sehr oft die Leute sind, die vom Arbeitsamt geschickt werden, die sich vorstellen müssen oder die unter Druck des Fallmanagers kommen, die sich dann so verhalten. Die Leute, die sich einen Job im Internet selbst suchen, die sind in der Regel sehr zuverlässig.«
Das Argument, dass Kinder und Beruf eben nicht oder nur schwer zu vereinbaren seien, lässt die Personalchefin nicht gelten. »Die Frauen, die hier arbeiten, sind alle Mütter. Ich habe nicht eine Frau beschäftigt, die keine Kinder hat. Es ist ein Stück weit gute Organisation, passgenaue Logistik und natürlich Flexibilität. Die muss man schon an den Tag legen. Und es ist so, dass wir von Sauber Proper Clean bemüht sind, auf die jeweiligen Umstände Rücksicht zu nehmen. Wenn jemand sagt, ich kann erst um 14 Uhr oder um 14.30 Uhr, dann gucken wir, ob es mit dem Objekt, das wir reinigen müssen, zu vereinbaren ist. Meist können wir das entsprechend organisieren. Im Normalfall klappt das.«
Das ist es für Ilona B. wohl wieder einmal gewesen. Ich besuche sie noch einmal zu Hause. Für sie ist die Sache tatsächlich gelaufen. Und auch in den nächsten Jahren wird sie vermutlich niemand mehr mit Jobangeboten belästigen. Das ist für sie selbstverständlich, denn niemand hat sie schließlich darauf hingewiesen, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist: Das heißt, dass Menschen, die in Not geraten sind, ihren Job verloren haben, weil die Firma dichtgemacht hat oder ins Ausland verlagert wurde, selbstverständlich geholfen wird, und dass umgekehrt jemand, der in solch einer Notlage unterstützt wird, alles daran setzen muss, wieder eine Arbeit zu finden. Ilona B. ist das nicht näherzubringen. »Das lohnt sich ja gar nicht«, sagt sie. »Bei 20 Wochenstunden Arbeit wird mir ja der ganze Verdienst auf Hartz IV angerechnet.«
»Ja, aber wäre nicht genau das die Chance gewesen, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen?«, frage ich nach. »Vielleicht hätten Sie sogar nach der Geburt des dritten Kindes noch Bereichsleiterin der Gebäudereinigungsfirma werden können. Verantwortlich für den gesamten Bezirk. Diese Chance hätte doch bestanden, wenn Sie richtig losgelegt und nicht gleich wieder aufgegeben hätten. Die putzen doch mehrere Gebäude, nicht nur die Schule, sondern auch diverse Büros.« Ilona B. guckt mich erstaunt an: »Nein, ich werde erst mal drei Jahre Pause fürs nächste Kind brauchen. Ich müsste ja dafür
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