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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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arbeitslos. Er war auch bei der Einführungsveranstaltung in der Stadthalle und lehnt es energisch ab, einen Ein-Euro-Job anzunehmen. »Wann haben Sie sich das letzte Mal beworben?«, will Angelika Brauer wissen. »Oh, schwere Antwort«, sagte Necet I. in gebrochenem Deutsch. »Vier Jahre her.« Jetzt ist sie aber doch verblüfft: »Sie haben vier Jahre lang keine Bewerbung geschrieben, sich nirgendwo vorgestellt?«
    »Nein«, sagt der Mann, »hab’ ich nicht!«
    »Warum lehnen Sie es dann ab, einen Ein-Euro-Job zu machen? Das wäre doch vielleicht eine Chance, wieder einen Fuß in die Tür des Arbeitsmarkts zu bekommen?« Herr I. windet sich ein wenig: »Na ja, gut, ein paar Stunden kann ich das ja versuchen. Vielleicht.«
    Der Nächste kommt: Roland F. ist seit zwei Jahren arbeitslos und gut ausgebildet. Er ist Bauklempner, Dachdecker, Gas- und Wasserinstallateur. Er hat drei Kinder und bekommt im Monat neben 1400 Euro Hartz IV das Geld für die Miete seiner Wohnung. Es stellt sich heraus, dass er seit zwei Jahren keine Bewerbung mehr geschrieben hat. »Ich habe mal hier, mal da angerufen, aber zu einer Arbeit ist es nicht gekommen.«
    »Was hielten Sie denn davon, als Bauhelfer zu arbeiten?«, fragt Angelika Brauer. »Bauhelfer werden gesucht, das weiß ich sicher!« Gar nichts hält Roland F. davon, was er auch deutlich sagt: »Ich hab’ ja einen Beruf erlernt. Da möchte ich doch nicht gerne als Bauhelfer arbeiten.«
    »Ich muss Ihnen alle Tätigkeiten zumuten, die nur halbwegs zumutbar sind«, sagt Angelika Brauer energisch, »und dazu gehören eben auch Helfertätigkeiten im Baugewerbe. Bitte weisen Sie mir in den nächsten drei Wochen nach, dass Sie sich bei zehn Zeitarbeitsfirmen beworben haben, in Lüneburg und in Hamburg.«
    Frau Brauer sagt hingegen nicht, dass sie, ebenso wie ich, Roland F.s vollkommen schwielige, vom schweren Arbeiten gezeichneten Hände bemerkt hat. Dass er seit zwei Jahren nicht in seinem Job arbeitet, ist an ihnen jedenfalls nicht abzulesen. Insofern hofft sie offenbar, dass der Druck hilft, den sie jetzt macht. Denn wenn Roland F. in Wirklichkeit irgendwo jobbt und das Arbeitslosengeld als zusätzliche Unterstützung mitnimmt, wird er sich bei einer Zeitarbeitsfirma als Helfer nicht unbedingt unter Wert verkaufen wollen.
    Am Nachmittag hat Angelika Brauer endlich Zeit, den Eigentümer des Fischrestaurants zu fragen, wie das Vorstellungsgespräch mit Carmen K. gelaufen sei. Sie will erfahren, warum er sie nicht eingestellt hat. Fordern und fördern soll sie die Langzeitarbeitslosen in ihrem Bezirk seit Hartz IV, motivieren und anspornen. Das will sie jetzt an Carmen K. mal durchexerzieren. Sie hat sie einbestellt und konfrontiert sie mit den Argumenten, die der potenzielle Arbeitgeber vorgebracht hat, um deutlich zu machen, warum er sie nicht beschäftigen will: »Und da hab ich den Gaststättenbesitzer gefragt, warum wollen Sie Frau K. denn nicht einstellen?«, erklärt ihr Angelika Brauer. »Und da hat er gesagt, Ihre Vorstellung dort habe ihm nicht gefallen. Er sagte, Sie hätten beim Vorstellungsgespräch an jedem Finger der Hand, sogar am Daumen, einen Ring getragen. So hat er Sie sich jedenfalls in einer Küche nicht vorstellen können.« Carmen K. versucht, ein wenig schuldbewusst dreinzuschauen, aber nun macht Angelika Brauer Druck. Carmen K. soll zum Bewerbungstraining. Immerhin kassiert sie jeden Monat Geld vom Jobcenter, und das soll eigentlich nur dann ausgezahlt werden, wenn der Arbeitslose bei aller Anstrengung keine Stelle findet.
    »Wenn Sie nicht wissen, wie man sich richtig bewirbt, dann machen Sie jetzt bitte ein Bewerbungstraining. Dort lernen Sie, wie man sich richtig vorstellt und wie ein ordentliches Bewerbungsschreiben auszusehen hat.«
    Ob das die richtige Strategie ist? Eine Maßnahme zur Bestrafung? Offenbar empfindet Carmen K. es als genau das, weswegen sie nicht will. »Nein, das geht nicht«, sagt sie energisch. »Wie soll ich das denn machen?« Was sie nicht offen sagt, ist, dass sie dann nicht mehr zu ihrer Schatten-»Arbeitsstelle« kann, wo sie täglich schwarz arbeitet. Sie windet sich wie ein Wurm: »Ich kann mir doch selbst eine Arbeit suchen. Da brauch’ ich doch kein Training«, schimpft sie. »Ja, aber bisher hat das ja nicht zum Erfolg geführt«, wendet Angelika Brauer ein. »Das hat bisher noch nie jemand von mir verlangt«, schimpft Carmen K., sichtlich aufgebracht. »Sehen Sie«, wendet die Fallmanagerin ein. »Dann fangen wir jetzt

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