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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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Federvieh seiner Frau Mariola und den fünf Kindern und fährt zu Rudolf Behr. »Natürlich ist das für meine Frau nicht so einfach, wenn ich wegfahre. Sie ist ja dann allein für alles verantwortlich, für die Kinder und den Hof. Aber was sollen wir machen? Unser Haus muss repariert werden, wir haben kein Badezimmer. Wir brauchen das Geld. Darum fahre ich nach Deutschland«, sagt Bogdan Worach.
    Adam Banasik kommt auch seit Jahren als Erntehelfer zu Behr nach Ohlendorf. Unweit der Warschauer Innenstadt, in der Mickiewicz-Straße, hat er ein kleines Haushaltswarengeschäft. Der Laden ist alt, für eine Renovierung hat das Geld nie gereicht. Diesmal will Adam Banasik von seinem Erntegeld einen neuen Fußboden legen, die Wände streichen. Wenn er nach Deutschland fährt, muss sich auch seine Frau allein um das Geschäft kümmern.
    In aller Frühe rollt Adam Banasik auf den Hof von Rudolf Behr, der, wie auch die Kopfsalatbrigade, fest mit ihm gerechnet hat. Und auch Bogdan Worach weiß: Die nächsten Wochen wird er von morgens bis abends in Gurken und Tomaten versinken, zusammen mit Kollegen aus Danzig, Krakau, Bukarest, Temeschwar und anderen winzigen polnischen oder rumänischen Nestern. Von Beruf sind sie Lkw-Fahrer, Automechaniker, Krankenpfleger. Manchmal sind auch Studenten und Lehrer dabei. Sie alle haben schon davon gehört, dass es in Deutschland immer noch drei Millionen Arbeitslose gibt, und so ganz klar ist ihnen nicht, wieso die Deutschen ihren Salat nicht selbst ernten. Auch Bogdan Worach rätselt ein wenig: »Ehrlich gesagt: Ich weiß nicht so genau, warum die Deutschen hier nicht arbeiten wollen. Ich glaube, es ist so, dass sie auch ohne Arbeit gut leben können.«
    »Ja, aber es sind doch viele Menschen arbeitslos und sitzen zu Hause«, wende ich ein. »Gut, sie sind arbeitslos, aber sie haben alles. Wir Polen haben nicht so viel und müssen eben arbeiten.«
    Adam Banasik kämpft derweil mit dem Salat. In der Nacht träumt er manchmal schon von Gurken und Radieschen. Hält er die Deutschen für faul? Adam Banasik ist ein höflicher Mensch: »Aber nein, wo denken Sie hin? Die Deutschen sind ein Kulturvolk, und sie lieben die Arbeit. Vielleicht ist ihnen diese Arbeit zu schwer oder auch nicht qualifiziert genug. Das könnte ich mir denken. Diese Arbeit ist einfach zu anspruchslos für die Deutschen. Das glaube ich.« Im Container nebenan mischt sich eine Frau in unser Gespräch ein: »Ich bin Lehrerin für polnische Literatur. Da verdient man wenig. Ich bin hier, weil ich Geld für die Renovierung meines Hauses brauche.«
    »Und warum glauben Sie, gibt es kaum Deutsche, die diese Arbeit machen?«
    »Tja, ich glaube einfach, dass es hier für die Deutschen zu wenig Geld gibt. 6,70 Euro pro Stunde, das ist für uns Polen viel, für die Deutschen ist es wohl zu wenig.« Noch zwei andere mischen sich ein: »Die Deutschen bekommen doch alle möglichen Hilfen: Arbeitslosengeld und soziale Unterstützung. Wenn ich die wäre, würde ich auch nicht arbeiten.« Ein anderer stimmt zu: »Auf keinen Fall würde ich mich so krumm machen, wenn ich ein Deutscher wäre. Niemals! Da können Sie Gift drauf nehmen. Da wär’ ich doch schön blöd.«
    »Warum nicht?«
    »Die Arbeit hier wäre mir viel zu schwer.« Darin schwingt mit: »Wenn es einem so gut geht, warum sollte man das tun?« Der Vorarbeiter der Kopfsalatbrigade Saleh Üner ist vor Jahren aus der Türkei eingewandert und hat sich hier hochgearbeitet. Er hat seine eigene Theorie, warum hier nur Polen und Rumänen malochen. So diplomatisch wie Adam Banasik drückt er es nicht aus: »Die Deutschen haben eben einfach keine Lust. Die Arbeit hier ist hart, man muss sich den Rücken krumm arbeiten. Die meisten wollen sich nicht die Hände schmutzig machen.« Saleh, der inzwischen perfekt auf Polnisch fluchen kann, und die Kopfsalattruppe sind sich einig: Die Deutschen hätten so eine Arbeit wie hier einfach nicht nötig.
    Nachmittags gibt es in einer halben Stunde Verschnaufpause Kaffee und Kuchen, ein Lichtblick im Kopfsalatmeer. Wenn viele Bestellungen vorliegen, werden hier manchmal Schichten von zwölf oder 13 Stunden gefahren. Die Stimmung ist gut, auch wenn der Rücken schmerzt und der Kopf brummt. Die Zeit läuft. Es muss rasch weitergehen. Peter L., der Arbeitslose aus der Jobagentur, der sich nach der Infoveranstaltung von Rudolf Behr als Erntehelfer wenigstens mal versuchen wollte, konnte nicht mehr mithalten. Nach zehn Tagen schickte ihn der Vorarbeiter

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