Reich kann jeder
irgendetwas Besonderes kann.
»Wie viele Kinder sorgen für die Geschäftspartner der Eltern gleich mit?«, frage ich. »Und wie sollen wir davon leben, wenn er so weitermacht wie diese Woche?«
Das Kind hat Läuse aus der Schule mitgebracht, und sie krabbeln über seinen blonden Schopf. Als die Läuse endlich weg sind und endlich auch die Schramme am Kinn, von der Schaukel im Gesicht, da kommt er schon wieder an – mit einer verstümmelten Frisur. »Guck mal, Mama, ich kann endlich wieder was sehen. Ich habe jetzt ein Guckloch.«
Er hat die Nagelschere gefunden und sich damit die blonden Modelhaare geschnitten.
Man sollte Kinder, die zur Modelagentur sollen, behandeln wie zarte Puppen, am besten einfach nur ins Bett legen, denke ich, und sämtliche Nagelscheren verstecken.
***
Die Leute in der U-Bahn sind große Fans von Anne, seit sie sich immer so lauraesk anzieht. Ständig kriegt sie Komplimente. Ein junger Mann hat sie neulich am Ku’damm angesprochen: »Na, Sie haben aber Stil!«
Jetzt steht auch sie vor dem Spiegel, und alle gucken genauer hin, ihre Kinder, ihr Mann und ich. Kann sie, kann sie nicht? Was ist, wenn sie wirklich groß rauskommt bei den Millionären in Saint-Tropez?
Liegt blond bei Millionären im Trend? Und bei den Milliardären auch?
»Du, da gibt es eine Bar mit eigenem Hubschrauberlandeplatz.«
»Schön«, sage ich.
»Wir hatten gestern Besuch von einem Freund, der Paparazzo ist«, erzählt sie. Der habe ihr genau erklärt, wie es läuft an der Côte d’Azur. »Da musst du nur darauf achten, wer mit dem Hubschrauber hinter dir landet. Da kriegst du alles. Die haben sogar einen Schmucktresen. Da gehst du einfach mit und kannst dir gleich was aussuchen.«
Ich bin mir nicht so sicher, ob wir wirklich bis zum Helikopterlandeplatz gehen sollten.
Dass es da bestimmt viele Mädels gibt, die 20 sind, sage ich, und dass Saint-Tropez, die ganze Côte d’Azur bekannt sei für einen ziemlich derben Geschmack, den sie sich bestimmt nicht wünsche.
Annes Mann hat erst mal keine Einwände. Er ist Fotograf und sieht das als journalistische Recherche. Er macht sich primär Gedanken, ob unsere ganzen Spinnereien nicht zu teuer werden, und hat beim Essen eine ziemlich Gewinn bringende Idee.
***
Ein Topf, eine Pfanne, Parmesan, Salat. Der Tisch ist so voll, dass die Vase auf der Erde steht. Das Baby thront auf seinem Hochsitz. Anne erzählt gerade, wo wir überall hinwollen und was wir alles vorhaben und dass sie wahrscheinlich oft das Auto brauchen wird.
»Sind wir schon reich?«, fragt Annes Sohn, der sieben ist und Juri heißt, und macht seine großen, grünen Augen. Seine Gabel bohrt in einem vollen Teller Spaghetti mit Tomatensauce. »Mama, sind wir schon reich?«
Anne dreht sich zu ihm, streicht ihm über den blonden Kopf, aber er ist hartnäckig.
»Mama, wann fahren wir zu Karstadt und holen das Monster-Raumschiff mit den Raketen?«
»Bald, mein Junge. Ganz bald.«
»Ach, Mann, Mama!«
Er beginnt zu heulen. Adrian, sein Freund in der Schule, habe das neue Raumschiff schon, und er wieder mal nicht.
Adrian hat nicht nur das neue Raumschiff, sondern noch was Besseres. Eltern, die viel netter und viel, viel großzügiger sind. Adrians Eltern machen was mit Internet und haben einen richtigen Porsche, und der Porsche hat einen Fernseher hinten drin – nur für Adrian, damit ihm der Weg zur Schule nicht so lang wird.
Sie sind so nett, diese Adrian-Eltern.
»Mama, wann?«, fragt Juri. Sein Bruder, das Baby, wirft Nudeln über den Tisch, weil es satt ist.
»Passt mal auf, dass ihr beim Reichwerden nicht arm werdet«, sagt Annes Mann. »Diese ganzen Reisen, die ihr machen wollt, das kostet doch alles.«
Und dann hat er die Idee.
»Ihr müsstet das ganz anders machen, ihr müsstet euch schöne Betten, schöne Zimmer und gute Flüge besorgen!«
Schöne Zimmer, gute Flüge! Er tut so, als gebe es welche geschenkt.
»Mal im Ernst, Anne! Wenn ihr wirklich reich werden wollt, dann solltet ihr nichts mehr selber zahlen. Dann würdet ihr euch einladen lassen. Dann wärt ihr ein bisschen cleverer!«
Er meint es ernst.
»Ja! Dann würdet ihr euch Sponsoren suchen. Das ist doch so: Wer reich ist, zahlt nicht selbst.«
Dann verweist er darauf, dass wir ja jetzt Autoren sind und ein Buch schreiben, und dass man da ja alles erwähnen könne, wie gut die Sponsoren sind. Als Dankeschön. »Da könnt ihr ja reinschreiben, was die alles Schönes haben!«
Anne sagt, dass sie das nicht so
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