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Reich kann jeder

Reich kann jeder

Titel: Reich kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Anne; Rentzow Nürnberger , Anne Nürnberger , Jan Rentzow
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riecht, nach Laufsteg.
    Ich glaube, ich gefalle ihr nicht ganz so gut als Model, und hoffe, dass Juri, Annes Sohn, ihr gefallen wird. Sie steht nicht auf Siegfrieds.
    Die Frau, die ich insgeheim Modeltante nenne, führt uns durchs ganze Büro und klagt, dass es zu dunkel sei.
    »Könnt ihr nicht auch bestätigen, dass es hier zu dunkel ist?«, fragt sie, und ich nutze die Gelegenheit, die vielen Fotos zu loben, die von den ganzen Männer- und Frauen-models bei ihr hängen, die sie alle unter Vertrag hat.
    Die meisten Frauen haben sicher schon länger keinen Braten mit Kruste mehr gegessen, sind aber wahnsinnig hübsch.
    Die meisten Männer sind einen Tick kleiner als ich. Sie sagt, dass sie nicht nur groß sein müssten, sondern auch noch wohldefinierte Körper bräuchten. Ich frage nicht, was sie unter wohldefiniert versteht, und denke: vermutlich dünn.
    Die Modeltante steht im schwarzen Kleid am anderen Ende des gewaltigen, abenddunklen Großbüros unter einem gewaltigen Elle -Cover, auf dem ein Model lächelt, eines von ihren.
    Sie sagt, wir gingen gleich doch in ein Lokal zu einem Wirt, der einen neuen Laden aufgemacht hat und ein bisschen Publikum braucht. Networking ist Networking ist alles.
    »Ist euch das recht?«
    Sie zeigt uns die Konkurrenz vom Jahrgang 2002. Armer Juri, denke ich, so viele! Seine Konkurrenz heißt: Cornelis, Thore, Friedolin.
    Alles hat die Agentur von diesen Kindern registriert, die Körpergröße, die Konfektions- und Schuhgröße, die Augen- und die Haarfarbe. Die feine kleine Kinderwelt, die blond ist oder dunkelhaarig, Zahnspangen hat oder keine. Die von den Bildern lächelt, mal mehr von vorne und mal mehr seitlich.
    Drei Bilder machen sie von jedem Kind.
    »Das macht dem Juri doch bestimmt Spaß, der lässt sich so gerne fotografieren«, sagt Anne, aber die Chefin der Modelagentur schweigt.
    Juri ist blond, grünäugig. Juri kann Zahnpasta verkaufen, denke ich, Juri werden sie lieben.
    Jetzt bloß nicht anmerken lassen, wie wichtig uns das ist, denke ich. »Ach, guck mal«, sage ich. »In deiner Sitzecke stehen dieselben Sessel wie unten bei Hans Eichel.«
    Die Chefin der Modelagentur staunt.
    Bei dem waren wir auch gerade, beginne ich zu erzählen, der hätte uns empfangen, um sich mit uns über das Sparen zu unterhalten, sage ich.
    Dann fahren wir zu dem teuren Italiener. Es wird ein langes Essen, und bei diesem Essen ist auch noch ein Frauenarzt, sie essen lauter so fettiges Zeug.
    Ich erzähle viel von Hans Eichel, weil ich will, dass sie weiter staunt und uns unterhaltsam findet. Dass man es ja gar nicht glaube, dass der wirklich nur in der Sparkasse in Kassel sein Geld hole, um den Überblick nicht zu verlieren. Dass der seinen Kontoauszug ganz genau kenne und jeden Dienstag seine Belege kriege.
    Dass er sich neulich Gläser im Antikmarkt gekauft und sie gleich um 100 Euro runtergehandelt hat, erzähle ich – und wir sprechen gar nicht mehr so viel über Juri.
    Nicht über Honorare, nicht über Disziplin und nicht über das Besondere in einem Gesicht. Über eigentlich nichts Wichtiges mehr zum Thema.
    »Juri wirkt ja immer ein bisschen kleiner, als er ist«, sagt Anne. »Das ist doch bestimmt hilfreich, wenn er schon ein bisschen erwachsener ist und trotzdem niedlich.«
    »Ja, ja. Schick mir mal ein paar Fotos von ihm«, sagt die Chefin der Modelagentur.
    Juri wird aufgenommen. Sie nehmen Juri in die Kartei.
    ***
    Ich will nicht mehr Hans Eichel sein. Ich will jetzt doch nicht sparen wie er. Nicht so viel und schon gar nicht jetzt.
    Anne sagt am Samstag, dass wir am Montag damit anfangen, so zu leben wie er, dann sagt sie übernächsten Montag.
    Seit wir bei ihm waren, dem Mann, der Gerhard Schröders Haushalt saniert hat, wissen wir genau, wie es geht: Wie man bescheiden ist und das Geld, das reinkommt, optimal vermehrt.
    Wir wollten es machen wie er, hatten wir uns vorgenommen: ein Eichel-Leben führen. Jetzt drücken wir uns um den Anfang herum.
    »Vielleicht müssen wir das ja gar nicht«, sage ich. »Wir tun einfach nur so, als würden wir das machen wie er.«
    Für Anne schreibe ich einen Text, um ihr zu zeigen, was für Auswüchse das annehmen würde, wenn wir damit anfangen. »Wir schreiben das einfach so ins Buch und tun so, als hätten wir so gelebt wie er«, sage ich.
    »Mein Leben macht keinen Spaß mehr, es ist nur noch Verzicht, das reinste Konsum-Zölibat«, beginne ich die Beschreibung meines Eichel-Lebens möglichst dramatisch. »Jeder Tag wird schlimmer.

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