Reich kann jeder
Ich trinke keinen Kaffee mehr im Coffeeshop und gehe mit Anne in die Kantine. Heute gab es Bratwurst mit Sauerkraut für 3,50 Euro, ohne Pudding. Kein ›Brot und Rosen‹ mehr und kein ›Papa Pane‹. Wir essen abends nicht mehr außerhalb und laden Freunde ein, mal zu mir und mal zu Anne. Dabei sparen wir ganz gut, weil ja mittlerweile alle ein bisschen Geld haben und Wein mitbringen, der teurer ist als das Essen, das Anne kocht. Anne ist ja keine gute Köchin.«
Ich weiß nicht so genau, ob Hans Eichel und seine Frau ihre Freunde nach Hause einladen, um zu sparen, aber sie laden sie nach Hause ein.
»Wenn mich einer fragt, warum ich so traurig bin, sage ich, dass Herr Eichel mein Herr ist, und dass wir jetzt sparen, ganz viel und ganz dicke. Ich verhandle, egal, wo ich hinkomme, da bin ich knallhart. Gestern wollte ich mir einen Stuhl kaufen, weil der alte in der Küche kaputt ist.
›Das kann doch nicht Ihr Ernst sein‹, habe ich im Geschäft gesagt und bin weitergegangen auf den Flohmarkt. Handeln, das hätte ich früher nie gemacht, aber Hans Eichel sagt, wenn man in gewissen Situationen nicht verhandele, dann sagen sie hinter deinem Rücken: Der ist dumm. Das will ich nun wirklich nicht.
Der Stuhl ist jetzt billiger, ich sitze jetzt 100 Euro billiger, als ich ohne den harten Hans gesessen hätte.
80 Euro statt 180 hat er gekostet.
Ich hasse ihn und ich liebe Hans Eichel. Hans Eichel war das beste Geschenk, das uns passieren konnte. Ein einziges Gespräch mit ihm.
Ich habe das mal zusammengerechnet, was da am Tag zusammenkommt an Geld, das ich nicht mehr ausgebe. Ich spare 15 Euro am Tag, mindestens.
Das mal 30 macht 450 Euro im Monat.
Eichel-Geld.
Das mal zwölf sind mehr als 5000 Euro im Jahr. Es ist, als hätte ich mit dem Rauchen aufgehört, hoch drei.
Er raucht nicht, der Herr Eichel.
Er lässt seine Finanzgeschäfte seine Sparkasse machen, hat er gesagt, immer schon.
Er sagt zwar, dass das Sparen kein Selbstzweck sein dürfe, aber das ist bei mir jetzt anders mittlerweile. Ich finde Sparen geil.
Socken flicken, vielleicht flicke ich bald wieder meine Socken. Wird Zeit, dass die ganze Verschwendung einmal aufhört.
Manchmal stelle ich mir vor, wie das Geld mehr wird, von den Zinsen alleine. Super, dieser Zinseszins, rechne ich mir aus.
Zins und Zinseszins. Das alles macht mehr Freiheit, das hat der Eichel auch gesagt, dass Sparen frei macht, weil man dann mehr Möglichkeiten hat in der Zukunft.
Jedes Geld, das man beiseitelegt, kann morgen ein Urlaub sein und in der Rente eine Million.
Wir haben gar nicht mehr darüber gesprochen, der Herr Finanzminister a. D. und ich, wie es weitergeht.
Wann genau man eigentlich die Million zusammenhat, alleine durch sparen und die Zinsen, die immer mehr werden.
Wann meine 5000 Euro im Jahr richtig viel sind, ein Vermögen. Mein Eichel-Geld-Spezial-Vermögen.
Aber ich weiß jetzt, dass das geht.
Dienstags kriegt Herr Eichel seine Kontoauszüge. Immer dienstags. Ich werde das jetzt auch beantragen und auch wissen, wie viel sich auf meinem Konto bewegt.
Ich spare jetzt mal weiter. Immer weiter und noch mehr, und wenn es gut läuft, fahre ich nächste Woche mal zu Herrn Steinbrück, der ist ja jetzt auch kein Finanzminister mehr. «
Ich reiche Anne den Zettel mit dem Text, als sie in unser Büro kommt. Wir lassen das jetzt erst mal mit dem Sparen, auch wenn Herr Eichel recht hat, wenn er sagt, dass man durch Sparen in der Zukunft mehr Freiheiten hat.
***
Was wäre Deutschland ohne seine Geschichte? Ohne die Mauer und die Menschen, die gegen sie gekämpft haben? Was wäre Deutschland ohne die Tränen der Freude von 1989?
Man spricht darüber ja nicht so oft, aber ich bin froh, in einem Land zu leben, das diese Tränen weinen durfte.
»Wären die Teile nicht was für euch?«, hatte ein guter Freund gefragt, als er von einem Ausflug nach Brandenburg wiederkam, ich weiß nicht, was er dort gemacht hat.
Er war ganz glücklich über seine Entdeckung. Er sagte, das sei doch ein Schatz, der dort auf dieser Wiese in einem Industriegebiet am Stadtrand lagert. Auch, wenn man auf den ersten Blick nur einen Haufen waagerecht liegender und senkrecht stehender Betonteile sehe.
»Die sind mit Sicherheit original«, sagte er. »Wollt ihr nicht mal fragen ob ihr die nicht verkaufen dürft? An die Scheichs, als Mahnmal oder als Gartenkunst. Das könnte gut laufen.«
»Das wird euer erstes Geschäft, in dem wirklich Millionen drin sind«, sagte er.
Maurice,
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