Reich kann jeder
der Juwelier in Monte Carlo, dem wir Fotos von den Teilen gezeigt hatten, war gleich ganz angetan. »Ja, das könnte meine Kunden interessieren«, hatte er gesagt, als wir in Saint-Tropez waren mit den Säckchen voll mit Gesteinsproben.
»Gibt es dafür ein Echtheitszertifikat?«, wollte er wissen, aber das wussten wir noch nicht. Wir hatten ja erst mal nur gefragt, ob es an der Küste einen Markt für deutsches Geschichtsgut gebe, und er hat gesagt, dass er das ganz sicher denke, und dass die deutsche Geschichte ein sehr spannendes Feld sei. »Außer für die Russen vielleicht.«
Die Männer, die in Deutschland einen der letzten Originalbestände der Berliner Mauer verkaufen, sind leider nur schwer erreichbar. Sie sind auch sehr verschwiegen.
Nein, sie wollen uns am Telefon nicht sagen, ob wir ins Geschäft kommen könnten. Oder, vielleicht doch. Er rufe zurück, sagt der Mann am anderen Ende, und ruft dann nicht zurück. Er ist ein bisschen freundlich und dann wieder sehr zurückhaltend.
Anne bringt morgens noch ganz normal die Kinder in Schule und Kindergarten, dann fahren wir zu dem Herrn, der am Telefon so geheimnisvoll tut. Er hat sein Büro in einem Neubau neben der Mauerwiese und zuckt ein bisschen zusammen, als wir plötzlich vor der Tür stehen, unangemeldet. Ich kann eine große Anspannung in seinem Körper sehen und auch, wie sehr er versucht, sie zu verbergen. Die Augen flattern unruhig, wie bei einem gehetzten Tier.
Er ist nervös, denke ich, aber ich weiß nicht warum.
Ich nehme an, dass es nichts damit zu tun hat, dass die letzten Teile der deutschen Mauer einer Firma gehören sollen, die immer noch Beton gießt.
Ich denke, wahrscheinlich hat er einfach viel zu tun und ist ein bisschen gestresst, wir sind doch nur Anne und Jan. Oder er hat noch nicht so ganz raus, dass der Kalte Krieg vorbei ist.
Ja, es gebe noch Teile, die zur Disposition stünden, aber nur über einen Mittler, sagt er. Sein eigener Name solle nicht fallen.
Aber immerhin, er gibt uns die Nummer des Mittlers.
Anne legt sie drei Mal weg, bevor sie dort anruft, weil sie denkt, der Moment sei falsch und alles müsse stimmen. Dann ruft sie an.
»Anne Nürnberger«, sagt sie am Telefon. »Ich rufe wegen der Mauer an.«
Sie klingt wirklich sehr nervös.
»Sind Sie das Mädchen aus Wien?«
»Nee, die nicht.«
»Ach so«, sagt die Stimme, die dem Mittler gehört. Und klingt ein bisschen enttäuscht.
»Über das Mädchen in Wien wüsste ich gerne mehr. Das klingt spannend«, sagt Anne, lacht ein wenig, und ich höre ganz genau, wie aufgeregt sie ist.
Dann herrscht Stille. So geheimnisvoll wie alles ist, frage ich mich, ob »das Mädchen aus Wien« ein Codewort ist.
»Sind Sie noch da?«, fragt Anne.
»Ja, na klar.«
Anne sagt, dass sie sich sehr für die Geschichte der Berliner Mauer interessiere, und fragt, ob wir drei uns nicht mal treffen könnten. »Bald.«
»Okay«, sagt die Stimme und fragt: »Morgen?«
Morgen geht nicht, sagt Anne.
Sie einigen sich auf Dienstag, 16 Uhr.
»Auf der Klingel steht kein Name«, sagt die Stimme, und es klingt, als sei der Mann dazu sehr umgänglich.
Anne erzählt ihm nicht, dass wir schon wissen, dass es schon einmal eine sehr erfolgreiche Versteigerung an der Côte d’Azur gegeben hat. Und schon 1990 bis zu 20 000 Mark pro Stück gezahlt wurden. Dass der Juwelier vielleicht sogar einen Prospekt bei sich auslegen würde – um uns zu helfen –, behält sie auch erst mal für sich.
***
Wir klingeln an der besagten Klingel, sollen aber lieber doch nicht hochkommen, sagt die Stimme des Mittlers.
Ich hasse das Warten.
Ein sportlicher junger Mann kommt runter, er wolle mit uns ins Café gehen, sagt er. Er bestellt nichts. Setzt sich ins Sonnenlicht.
»Wollen Sie einen Kaffee?«, frage ich ihn. Nein, das wolle er nicht. Gar nichts will er.
Wir seien gerade in Saint-Tropez gewesen, sagt Anne.
Es sei ein Wahnsinn, wie sie sich dort alle für das Schicksal der Hauptstadt interessiert hätten. »Die Mauer bewegt die Leute.«
Wir versuchen das richtige Maß zu finden, um einerseits zu zeigen, dass wir sehr gute Kontakte haben, und andererseits nicht zu viele Erwartungen zu schüren, die den Preis voreilig nach oben treiben.
Wir seien auch bei Gunter Sachs gewesen, jetzt sei ja wirklich Hochsaison an der Küste, viele Araber seien da, wirklich gute Stimmung.
Zwei Stunden sitzen wir beisammen, der Mittler rührt das Wasser, das ich ihm trotzdem bestellt habe, kein einziges Mal an,
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